Susannah - Auch Geister koennen kuessen
kränken, verdrehte nur die Augen. »Ach, Adam«, sagte sie matt.
Adam, ein gut aussehender Typ in meinem Alter, sah mich ernst an. »Doch, es stimmt«, sagte er mit Grabesstimme. »Ist letztes Jahr passiert. Meine Schwester.« Er senkte verschwörerisch die Stimme. »Sie ist adoptiert.«
Ich lachte wieder und Mom funkelte mich böse an. Sie hatte mir am Tag zuvor lang und breit erklärt, wie furchtbar, furchtbar schwierig es gewesen war, die Schule dazu zu bewegen, mich aufzunehmen, vor allem weil sie keinerlei Beweis für meine Taufe vorlegen konnte. Am Ende hatten sie nur Ja gesagt, weil Andys Söhne ebenfalls auf die Schule gingen. Wahrscheinlich hatte auch eine ansehnliche Spende dieser Entscheidung auf die Sprünge geholfen, aber dazu wollte meine Mutter nichts sagen. Sie hatte mich nur ermahnt, mich anständig zu benehmen und nicht schon wieder was aus dem Fenster zu schmeißen – meinen Einwand, dass das seinerzeit nicht meine Schuld gewesen war, ließ sie nicht gelten. Ich hatte damals mit einem besonders gewalttätigen Geist gerungen, der sich geweigert hatte, mit dem Rumspuken im Mädchen-Umkleideraum meiner alten Schule aufzuhören. Am Ende hatte ich ihn durch die Fensterscheibe schubsen müssen, was ihn endlich zur Vernunft gebracht hatte.
Natürlich hatte ich meiner Mutter vorlügen müssen, ich hätte im Umkleideraum Tennisschwünge geübt und dabei wäre mir der Schläger aus der Hand gerutscht – sehr unglaubwürdige Story, da nie ein Schläger gefunden wurde.
Während ich diese schmerzliche Erinnerung noch einmal durchlebte, ging auf einmal eine schwere Holztür auf und ein Pater erschien. »Mrs Ackerman, wie schön, Sie wiederzusehen«, sagte er. »Und Sie müssen Susannah Simon sein. Bitte kommen Sie rein.« Er bedeutete uns einzutreten, dann drehte er sich noch einmal zu dem Jungen auf der Couch herum. »Bitte nicht schon wieder, Mr McTavish. Nicht gleich am allerersten Tag des Semesters.«
Adam zuckte mit den Schultern. »Was soll ich machen? Das Weib hasst mich.«
»Wenn Sie bitte davon Abstand nehmen würden, Schwester Ernestine als Weib zu bezeichnen, Mr McTavish … Ich bin gleich für Sie da, sobald ich mit diesen beiden Damen gesprochen habe.«
Wir betraten sein Büro, und Pater Dominic, der Schuldirektor, setzte sich zu uns und begann, mit uns zu plaudern – wie mir Kalifornien denn bisher gefiele und so weiter. Es gefiele mir gut, sagte ich, vor allem das Meer. Nach dem Auspacken hatten wir den größten Teil des Vortags am Strand verbracht. Ich hatte endlich meine Sonnenbrille wiedergefunden. Zum Baden war es zwar zu kalt, aber mir reichte es vollkommen, einfach auf einer Decke im Sand zu liegen und den Wellen zuzu schauen. Sie waren riesig, höher als bei Baywatch , und Schweinchen Schlau erklärte mir den halben Nachmit tag lang, woran das lag. Die Sonne machte mich so wohlig müde, dass ich von seinem Vortrag kaum was mitbekam, geschweige denn mir etwas merken konnte. Ich fand den Strand herrlich, diesen Duft, den Seetang, der an Land gespült wurde, den kühlen Sand zwischen mei nen Zehen, den Salzgeschmack auf meiner Haut, der noch an mir haftete, als ich nach Hause kam. Vielleicht konnte Carmel mit keinem Bagel Bob's aufwarten, aber Manhattan hatte dafür keinen Strand.
Pater Dominic erklärte, er hoffe von Herzen, dass es mir an der Mission Academy gefallen würde und dass ich, auch wenn ich nicht katholisch sei, jederzeit in der heiligen Messe willkommen sei. Es gäbe natürlich einige Tage im Jahr, heilige Tage der Pflicht, an denen katholische Schüler den Unterricht verlassen und in die Kirche gehen müssten. Ich konnte mich ihnen entweder anschließen oder im leeren Klassenzimmer bleiben, ganz nach Wunsch.
Ich fand das Ganze mehr als witzig, verkniff mir aber wohlweislich das Lachen. Pater Dominic war alt, aber auch das, was man wohl als geistig rege bezeichnet, und irgendwie sah er mit seiner schwarzen Kutte und dem weißen Kragen ganz attraktiv aus – ich meine, für einen Sechzigjährigen. Er hatte weißes Haar, tiefblaue Augen und sehr gepflegte Fingernägel. Ich kannte bisher nicht viele Patres, aber der hier schien ganz okay zu sein, so milde, wie er den Jungen da draußen, der eine Nonne Weib genannt hatte, behandelt hatte.
Nachdem Pater Dominic die Vergehen aufgezählt hatte, für die man von der Schule fliegen konnte – häufiges Schwänzen, Drogenhandel auf dem Schulgelände, das Übliche eben –, wollte er wissen, ob ich irgendwelche Fragen hätte.
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