Susannah Bd.3 - Auch Engel sind gefährlich
Fluch hinreißen. Felicia Bruce jagte ihm den Ellbogen in die Rippen. »Beherrsch dich. Der Mann ist Priester.«
»Ist er nicht«, widersprach Mark streitlustig.
»Ist er doch«, beharrte Felicia. »Oder siehst du den weißen Kragen nicht?«
»Ja, ich bin Priester«, bestätigte Pater Dominic, um dem Ganzen ein Ende zu bereiten. »Und ich sage die
Wahrheit. Sie können mich Pater Dominic nennen, wenn Sie mögen. Und das hier ist Susannah Simon. Also, wir können Ihre Ressentiments gegenüber Mr Meducci ja durchaus verstehen …«
»Ressentiments?« Josh, der noch immer stand, starrte Pater Dom an. »Ressentiments? Hey, der Typ ist dran schuld, dass wir tot sind!«
Nur dass er statt Typ ein ganz anderes Wort benutzte.
Pater Dominic zog die weißen Augenbrauen hoch.
»Wieso erzählst du Pater Dominic nicht das, was du mir erzählt hast, Josh?«, ging Jesse ruhig dazwischen. »Dann werden er und Susannah euch bestimmt besser verstehen.«
Josh, dem die Fliege lose um den Hals hing und dessen oberste Hemdknöpfe offen waren, fuhr sich frustriert durch die kurzen blonden Haare. Zu Lebzeiten musste er ein hübscher Junge gewesen sein. Dank seines guten Aussehen, seiner Intelligenz und seines Reichtums (seine Eltern mussten viel Geld haben, wenn sie es sich leisten konnten, ihn auf die Robert-Louis-Stevenson-Schule zu schicken, die genauso teuer wie exklusiv war) hatte Josh Saunders anscheinend ein großes Problem damit, das einzige Unglück zu verkraften, das ihm in seinem kurzen und durchgehend glücklichen Leben widerfahren war: seinen vorzeitigen Tod.
»Also gut«, sagte er. Seine tiefe Stimme übertönte nun mit Leichtigkeit das Rauschen der Wellen und das Knistern des Feuers. Wäre er nicht umgekommen, hätte er im Leben so ziemlich alles werden können, dachte
ich, vom Profisportler bis zum Präsidenten. So eine Selbstsicherheit strahlte er aus.
»Wir waren am Samstagabend tanzen«, begann er zu erzählen. » Tanzen , okay? Und hinterher wollten wir eine kleine Spritztour machen und dann am Point parken …«
»Wir fahren samstagsabends immer dahin«, warf Carrie ein.
»Zum Aussichtspunkt«, erklärte Felicia.
»Dort ist es so schön«, sagte Carrie.
»Wunderschön.« Felicia warf Pater Dominic einen nervösen Blick zu.
Ich starrte sie an. Wen versuchten die eigentlich zu veräppeln? Wir wussten doch alle, was Teenager machten, wenn sie am Aussichtspunkt anhielten.
Die Aussicht bewundern jedenfalls nicht.
»Ja«, sagte Mark. »Außerdem kommen da nie irgendwelche Cops vorbei und meckern, dass wir weiterfahren sollen. Klar?«
Aha. Die Ehrlichkeit war ja mal erfrischend.
»Also«, übernahm Josh wieder. Er hatte die Hände in die Taschen gesteckt, aber jetzt holte er sie wieder raus und hielt uns seine Handflächen entgegen. »Wir fahren also los. Alles wunderbar, wie an jedem Samstagabend. Bis wir zu dieser Kurve kommen … Sie wissen schon, dieser Haarnadelkurve … Da rammt uns nämlich plötzlich ein anderes Auto …«
»Genau«, sagte Carrie. »Ohne Licht, ohne Hupen, ohne alles. Einfach: Kawumm! «
»Wir sind direkt gegen die Leitplanke geknallt«, erzählte
Josh weiter. »War aber nicht so schlimm, wir waren ja nicht so schnell unterwegs. Ich dachte nur: Mist, ich hab eine Beule in den Kotflügel gemacht . Dann wollte ich zurücksetzen. Aber da kam dieses Auto das zweite Mal angeschossen …«
»Unmöglich, das kann …«, setzte Pater Dominic an.
Josh fuhr fort, als hätte Pater Dom gar nichts gesagt. »Und diesmal stürzten wir einfach haltlos ins Leere.«
»Als wäre die Leitplanke überhaupt nicht da«, warf Felicia ein.
»Wir kippten einfach über die Kante.« Josh steckte die Hände wieder in die Hosentaschen. »Und wachten erst hier unten auf. Und zwar tot.«
Seinen Worten folgte Stille. Zumindest sprach niemand, denn natürlich war das Rauschen der Wellen und das Knacken des Feuers immer noch zu hören. Der Wind trug Gischtwolken heran und benetzte meine Haare damit. Wie Eiskristalle hingen die Tröpfchen an meinem Kopf. Ich schob mich näher an das Feuer heran, dankbar für die Wärme, die von ihm ausging …
Und plötzlich wurde mir klar, warum die RLS-Engel sich die Mühe gemacht hatten, das Feuer zu entfachen. Weil sie, würden sie noch leben, genau dasselbe getan hätten. Sie hätten ein Feuer gemacht, um sich zu wärmen. Jetzt spürten sie die Wärme nicht mehr, na und? Lebendige Menschen hätten ein Feuer gemacht.
Und sie wünschten sich nichts sehnlicher, als wieder
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