Susanne Barden 01 Hinaus ins Leben
Kopf gesetzt. Er wünscht, daß sie an Frau Barn ausprobiert werden. Glauben Sie, daß Sie ein Schlammbad zustande bringen können?«
»Natürlich. Wir haben es ja bei Fräulein Cameron gelernt. Sie sagte, wir würden es wahrscheinlich niemals anzuwenden brauchen, müßten aber lernen, wie es gemacht wird.«
»Gott sei Dank! Frau Barn soll jeden Tag um drei Uhr gebadet werden. Ich werde Ihren Dienst so einteilen, daß Sie um diese Zeit immer hier sind. Sie müssen auch eine besondere Tabelle führen.«
»Ja, Schwester Meredith. Wenn Sie nichts dagegen haben, laufe ich schnell mal in mein Zimmer und hole meine Notizen für den Fall, daß ich etwas vergessen haben sollte.«
»Gut, tun Sie das, Schwester van Dyke.«
Schlammbäder wurden in vergangenen Zeiten bei hartnäckig andauerndem hohen Fieber angewendet. Man hatte sie jedoch schon lange als zu drastisch aufgegeben. Sie waren genau das, was ihr häßlicher Name besagte - Bäder in kaltem Schlamm mit Eisstückchen darin. Der Patient wurde auf ein großes Gummilaken gelegt, unter dessen Rand man fest zusammengerollte Decken schob, so daß eine behelfsmäßige Badewanne entstand. Dann wurde der Patient gründlich mit dem Eiswasser abgerieben, wonach das Fieber gewöhnlich fiel. Es war ein ziemlich kompliziertes Verfahren. Selbst in früheren Zeiten wurden Schlammbäder nur selten angewendet. Die Patienten haßten sie, was nicht verwunderlich war.
Frau Barn war eine kräftige, zähe Person. Obwohl sie schon lange krank lag, befand sie sich noch in ziemlich guter Verfassung. Aber das Fieber war ungewöhnlich hoch, sogar für Typhus, und ging trotz aller Bemühungen nicht herunter.
»Sie hat den Schreck ganz gut überstanden«, sagte Kit nach dem ersten Bad zu Susy. »Allerdings schrie sie wie am Spieß, was ich ihr nicht verdenken kann. Aber das Fieber ist ein Stück runtergegangen, und sie sieht viel besser aus.«
»Glaubst du, daß sie sich weigern wird, noch mehr Bäder zunehmen?«
»Bestimmt nicht. Sie betet Dr. Andersen an. Und er weiß, was er will. Auch hat ihr das Bad gutgetan.«
Bald hatte es sich im ganzen Krankenhaus herumgesprochen, daß auf Station 8 Schlammbäder gemacht wurden, denn Krankenschwestern sind immer an ungewöhnlichen Behandlungsmethoden interessiert. Sogar die anderen Patienten im Saal beobachteten neugierig die Bewegungen von Kits Kopf über dem Wandschirm, der das Bett von Frau Barn umgab. Dabei lauschten sie gespannt auf Frau Barns Verwünschungen, die an Lautstärke und Ausdruckskraft zunahmen, je länger das Bad dauerte.
Am dritten Tag der Bäder kam Schwester Meredith nach einem Telefongespräch vollkommen aufgelöst zu Kit und rang fast weinend die Hände.
»Schwester van Dyke! Ich habe soeben eine furchtbare Nachricht erhalten. Fräulein Cameron kommt heute nachmittag mit einer Gruppe von Probeschwestern her, um sich das Schlammbad anzusehen. Was sollen wir bloß machen?«
Die Wärmflasche, die Kit gerade füllte, fiel gluckernd zu Boden, und das heiße Wasser ergoß sich über das Linoleum. Kits Gesicht war so weiß wie ihr Kragen.
»Fräulein Cameron!« stieß sie hervor, als sie ihre Sprache wiedergewonnen hatte. »Aber ...« Sie stockte. »Muß ich es tun?« fragte sie leise.
Schwester Merediths Augen füllten sich mit Tränen. Sie nickte. »Frau Barn ist Ihre Patientin, und Sie haben die Bäder bisher gerichtet.«
»Ja, Schwester Meredith.« Kit hob die Wärmflasche auf und ging in den Waschraum, um mit Susy zu sprechen.
»Was soll ich bloß tun?« fragte sie verzweifelt, nachdem sie Susy alles erzählt hatte. »Ich kann das Schlammbad nicht im Beisein von Fräulein Cameron richten. Ich kann es einfach nicht! Ich werde alles vergessen, wenn sie zusieht. Und sie wird sagen, ich machte es nicht so, wie sie es uns gelehrt hat, und .«
»Warte mal!« Ein schrecklicher Gedanke durchfuhr Susy.
»Hat Schwester Meredith auch daran gedacht, daß du wegen der Bäder um drei Uhr im Dienst sein mußt? Vielleicht hast du frei. Muß etwa ich ...«
»Komm, wir wollen auf dem Dienstplan nachsehen«, rief Kit, ein wenig Hoffnung schöpfend.
Aber der Dienstplan bot ihr keine Rettung. Susy stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, bereute es jedoch sofort.
»Ich wollte nicht gemein sein«, entschuldigte sie sich. »Natürlich wünsche ich ebensowenig, daß du es tun mußt. Nur - du hast doch mehr Erfahrung darin als ich - und .«
»Laß nur, ich verstehe das sehr gut. In einem solchen Fall denkt jeder zuerst an sich selbst.
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