Susanne Barden 02 Zeig, was du kannst
ist ...«
Eine Schwester riß die Tür auf. »Georg!« rief sie. Und dann: »Oh, Verzeihung, Dr. Barry! Ich hielt Sie für Dr. Lamson.« Damit verschwand sie wieder.
Bills Gesicht war dunkelrot geworden. Schweigend starrte er vor sich hin. Seine Lippen bildeten eine einzige schmale Linie.
Susy sah ihn verstohlen von der Seite an. Dann sagte sie ruhig: »Sie können Dr. Lamson wohl nicht leiden.«
Er antwortete nicht sofort. Schließlich sah er sie an.
»Nicht besonders. Mögen Sie ihn denn?«
»Ach, ich weiß nicht. Ich habe noch nicht darüber nachgedacht. Er ist ein harmloser, liebenswürdiger Mensch.«
»Können Sie mir vielleicht sagen, warum Mädchen solche Männer gern haben? Dr. Lamson ist allgemein beliebt.«
Susy überlegte, das Kinn noch immer in die Hand gestützt.
»Ich weiß nicht recht«, antwortete sie. »Er ist unterhaltend - und schmeichelt unserer Eitelkeit und .«
Er fuhr auf. »Ach so!« unterbrach er sie heftig. »Ich hatte bisher geglaubt, Sie gehörten zu den Mädchen, die sich nichts aus billiger Schmeichelei machen. Aber ich habe mich wohl geirrt. Schon neulich bemerkte ich .«
»Bill!« Susy hatte sich aufgerichtet. Ihre Augen funkelten. »Das ist vollkommen unangebracht. Außerdem geht es Sie nichts an.«
»Verzeihung!« sagte er verdrossen.
Es entstand ein Schweigen. Susy nahm sich zusammen. So konnte es nicht weitergehen.
»Wir wollen nicht miteinander streiten, Bill«, sagte Sie. »Es ist albern und sinnlos.«
Seine Augen wurden weich. »Sie haben recht. Ich war gräßlich.« Er streckte ihr seine Hand hin. »Können Sie mir verzeihen?«
»Natürlich.« Sie schüttelten sich die Hände und lachten. Nachdem das Lachen verebbt war, überfiel sie wieder das Schweigen.
Endlich sagte Bill lächelnd: »Aber ein klein wenig haben Sie mich doch gern, ja?«
»Ich kann Sie gut leiden«, antwortete Susy leichthin. »Ich bewundere Sie sogar - manchmal -, obwohl das natürlich vermessen von mir ist, da doch so viele und bessere Krankenschwestern als ich anbetend zu Ihren Füßen knien.«
Er grinste. »Ich hoffte, daß Sie es bemerken würden.«
»Himmel, Sie sind ja gar nicht eingebildet! Wollen Sie mir vielleicht freundlichst sagen, was an Ihnen so anziehend ist - außer Ihren gepflegten schwarzen Haaren? Was wären Sie mit einer Glatze, oder wenn Ihr Haar nicht so ordentlich gekämmt wäre? Alle Frauen würden vor Ihnen davonlaufen.«
»Zerzausen Sie es doch! Mal sehen, ob Sie dann vor mir davonlaufen.« Er beugte sich zu ihr hinunter. Sein Kopf berührte sie fast.
Sie wich hastig zurück und lachte verlegen. »Nein! Das fällt mir nicht im Traum ein.«
Er richtete sich wieder auf. »Warum denn nicht?«
Sie war seltsam erregt. Fast fürchtete sie sich ein wenig. »Ich - ich weiß nicht«, antwortete sie und sah zu ihm auf. In ihren Augen war jetzt keine Spur von Lachen.
Einen Augenblick sahen sie sich schweigend an. Dann wandte sie sich wieder zum Fenster. »Sehen Sie nur«, sagte sie ein wenig unsicher, »jetzt brennt dort drüben schon Licht. Bald werden die Schwestern das Abendbrot in die Krankensäle bringen. Es ist merkwürdig zu denken, wie viele Jahre lang das schon so gewesen ist. Die Patienten kommen und gehen, aber es ist immer das gleiche.«
»Ja.«
Sie sprachen noch ein Weilchen miteinander; von dem Krankenhaus, von der Arbeit in den Laboratorien, von dem Unterschied zwischen innerer Medizin und Chirurgie. Als Bill schließlich fortging, blieb Susy allein am Fenster und starrte unruhig in den Regen hinaus, bis Fräulein Lee hereinkam und sie zur Station schickte.
Anni Meyer
Susy hatte jedoch nicht viel Zeit, über ihren oder Bills Gemütszustand nachzugrübeln. Ihr Dienst nahm sie viel zu sehr in Anspruch.
In der zweiten Woche durfte sie schon bei einer Blinddarmoperation assistieren. Die Operation dauerte genau fünfzehn Minuten. Susy kannte den Verlauf jetzt schon auswendig. Sie gab sich große Mühe bei ihrer Arbeit, und alles ging wie am Schnürchen. Hinterher erschien ihr die Rolle, die sie bei der Operation spielte, sehr gering. Hatte eine Operationsschwester nicht mehr zu leisten? Zwar konnte man die Arbeit nicht gerade leicht nennen; man mußte stets wachsam sein. Aber das war es gerade, was Susy nicht gefiel. Sie mußte äußerste Sorgfalt und Aufmerksamkeit auf eine Tätigkeit anwenden, die einem großen Zweck diente, jedoch für sich allein betrachtet - Susy gebrauchte das Wort nur ungern in diesem Zusammenhang - langweilig war. Das war doch
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