Susanne Barden 05 - Jung verheiratet
müssen. An ihrer Stelle sollte Kit die Schule leiten; Kit organisierte für ihr Leben gern. Aber es hatte keinen Zweck, solchen Gedanken nachzuhängen.
Als Susy die chirurgische Frauenstation betrat, schlug ihr starker Kampfergeruch entgegen. Erstaunt sah sie sich um. Dann lächelte sie belustigt. Auf einem Bett saß eine Patientin am Fußende zusammengekauert, die Bettdecke krampfhaft um sich gezogen, und beobachtete gespannt, wie ein kleiner Alkoholsee auf dem Laken sich langsam, aber stetig vergrößerte.
»Hallo, Fräulein Barden!« rief die alte Frau lachend, als sie Susy erblickte. »Haben Sie schon mal gehört, daß einem Menschen der Alkohol nachläuft? Meistens ist’s doch umgekehrt.«
Susy lachte ebenfalls. »Wie ist denn das passiert?« Sie nahm ein sauberes Handtuch von einem Tisch und dämmte den See ein. »Und
wo steckt Ihre Schwester?«
»Schwester Marks ist ein neues Laken holen gegangen. Das arme Ding hat sich schrecklich aufgeregt. Donnerwetter, Fräulein Barden, Sie haben es raus, einem Menschen zu helfen!«
Susy hatte ein zweites Handtuch auf das erste gelegt und den Rücken der Frau mit Kissen gestützt. »Wie ist das Unglück denn passiert?« fragte sie noch einmal.
»Ach, wissen Sie, die kleine Schwester Marks, die mir immer den Rücken einreibt, war heute ganz durcheinander. Zuerst kippte sie die Alkoholflasche immerfort aufs Handtuch, ohne den Korken rauszunehmen. Nach einer Weile sagte ich dann: >Das ist aber ’ne trockene Abreibung, Schwester!< Sie schrie, >Ach, du lieber Gott!< und riß den Korken heraus, ließ ihn aber im Handtuch drin und rieb damit weiter auf meinem Rücken rum. Ich konnte ihn deutlich fühlen und stöhnte ein bißchen. Da fuhr sie wie angestochen zusammen, und der Korken fiel auf die Erde. Sie hatte wohl vergessen, daß sie die Flasche noch in der Hand hielt, als sie sich bückte, um ihn aufzuheben. Und so floß die Hälfte in mein Bett.«
Susy lachte wieder, obwohl sie eher besorgt als belustigt war. Endlich erschien Frances mit dem neuen Laken. Als sie Susy neben dem Bett stehen sah, sagte sie erschrocken: »Oh, Frau Barry, es tut mir schrecklich leid!«
»Nun, es ist ja kein Beinbruch. Geben Sie das Laken her.«
Nachdem das Bett neu bezogen war, ergriff Susy das nasse Laken und ging zum Laboratorium. Frances folgte ihr automatisch. Als sie an der Küche vorbeigingen, kam eine Schwester heraus, um Susy den Abendbericht zu geben, zog sich jedoch sofort wieder zurück, da die Schulleiterin offenbar beschäftigt war. Vom Saaltelefon her ertönte die erregte Stimme der Stationsschwester. »Was soll ich bloß machen? Ich muß unbedingt Hilfe haben. Ich habe die schwierigste Station im ganzen Haus, und finde .«
Der ewige Schlachtruf der Stationsschwestern! Susy seufzte ein wenig. In dem stillen, kleinen Laboratorium angelangt, wandte sie sich zu Frances um und lächelte ihr zu.
Frances lächelte unsicher zurück. »Ich - hab’ - was Schlimmes angerichtet, nicht wahr?«
»Nun, wie gesagt, es ist kein Beinbruch. Besser wäre es allerdings gewesen, wenn Sie sich um Ihre Patientin gekümmert hätten, ehe Sie
davonliefen, um ein neues Laken zu holen. Aber solche Sachen passieren neuen Schülerinnen oft.« Susy stützte sich leicht auf einen verchromten Ständer mit roten, blauen und grünen Flaschen. »Als ich Schülerin war, wurde ich einmal von einer Patientin verfolgt und fiel durch einen Wäscheschacht - Gott sei Dank auf einen großen Wäschehaufen.«
»Himmel!« rief Frances. »Die Patientin muß ja ein wahrer Teufel gewesen sein.«
»Aber ganz im Gegenteil! Als ich sie näher kennenlernte, fand ich sie reizend.«
»Sie sind wohl sehr gern Krankenschwester, Frau Barry?«
»Ja, gewiß. Sie auch?«
»Oh - ja.«
»Wie sind Sie eigentlich darauf gekommen, gerade diesen Beruf zu ergreifen?«
»Ach - ich wollte es gern. Ich weiß selber nicht, wie es kam.«
»Strengt die Arbeit Sie nicht zu sehr an? Sie haben bei uns beinahe zehn Pfund abgenommen.«
»Das hat nichts zu sagen. Ich nehme sehr schnell ab, aber auch ebenso schnell wieder zu.«
»Wissen Sie, daß Ihr Blutdruck unnatürlich hoch ist?«
»Ja, Dr. Barry hat es mir gesagt. Aber ich bin sicher gesund.«
»Sagen Sie mal, Frances, bedrückt Sie vielleicht irgend etwas?«
»Aber nein, Frau Barry! Wirklich. Es ist alles in Ordnung.«
»Das bezweifle ich.« Susy musterte das verschlossene Gesicht des jungen Mädchens. »Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Fahren Sie für drei Monate nach Hause
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