Susanne Barden 05 - Jung verheiratet
sie kurz und nahm ein Buch vom Tisch.
Es entstand ein ungemütliches Schweigen. Schließlich sagte Bill leicht gereizt: »Warum wirst du gleich wütend, wenn ich die Wahrheit sage?«
»Das liegt in meiner Natur. Deshalb eigne ich mich wahrscheinlich auch nicht zur Ehe.« Sie lachte ein wenig gezwungen.
Bill richtete sich auf und schlug mit der flachen Hand auf seine Sessellehne. »Hör doch mit dem dummen Gerede auf! Ehrlich gesagt, Susy - ich hab’ es satt, dauernd von Marianna zu hören.«
Susy sah ihn ganz verdattert an und wußte nicht, was sie sagen sollte.
»Ich weiß wirklich nicht, warum Frauen ein Thema immer totreden müssen«, fuhr er fort. »Wenn man denkt, daß sie endlich damit fertig sind, graben sie es wieder aus und fangen von neuem an. Marianna ist ein nettes Mädchen, aber ich habe das Gerede über sie nun jahrelang genossen. Ich wäre froh, wenn ich nie wieder etwas von ihr hörte.«
»Der Wunsch soll dir erfüllt werden! Sonst noch etwas?«
»Nein. Ich -« Bill sprang auf, kniete neben ihrem Sessel nieder und umschlang ihre Knie. »Verzeih! Ich weiß wirklich nicht, was eben in mich gefahren war.«
Susy stellte fest, daß er seine Worte nicht zurücknahm, sondern sich nur für seinen Ton entschuldigte. Also meinte er wirklich, was er gesagt hatte. »Laß gut sein!« sagte sie, sich mühsam zusammennehmend. »Es war meine Schuld.«
Sie lächelten einander etwas schmerzlich an, und der Sturm war vorüber. Aber als Susy im Bett lag und noch einmal alles überdachte, erkannte sie, daß ein ehelicher Streit etwas ganz anderes war als ein Streit zwischen Verlobten. Bei Verlobten ging es immer nur um die Frage: »Liebst du mich?« Aber bei einem ehelichen Streit hieß es: »Kritisierst du mich?« Man dachte mehr nach, durfte jedoch nicht alles aussprechen, was man dachte. Susy seufzte. Verheiratet zu sein war doch nicht so einfach, wie sie anfangs geglaubt hatte - nicht einmal mit Bill.
Nachdem die strenge Kälte drei Tage angehalten hatte, begann nachts plötzlich ein feuchtwarmer Wind zu wehen. Die Berge verschleierten sich. Der Schnee verschwand, und die Bäche brausten polternd zu Tal. Morgens und abends war der Boden mit leichtem Nebel bedeckt, der aber bald verschwand, und mittags wurde es sommerlich warm.
Eines Tages ging die sonst so vernünftige Mary Addison in einem leichten Frühjahrsmantel nach Springdale hinunter. Nachts bekam sie dann Halsschmerzen, und am nächsten Morgen hatte sie Fieber. Sie mußte im Bett bleiben, und Kit und Susy übernahmen ihre Unterrichtsstunden, obwohl sie schon mit Arbeit überlastet waren. Zwei Tage lang ging es Mary nicht gut. Dennoch lehnte sie es ab, sich in ein Krankenzimmer zu legen, und wollte auch keine Nachtschwester um sich haben.
»Ich brauche ja nichts«, brummte sie ärgerlich. »Luise kann nachts ein paarmal nach mir sehen. Mehr ist nicht nötig.«
Am nächsten Morgen kam Luise mit einem Unheil verkündenden Gesicht in Susys Büro. Kit hatte einmal gesagt, wenn Luise sich errege, werde ihre Nase so lang wie die Schnauze eines Terriers. Heute morgen hatte sie diese Nase. Sie preßte die Lippen zusammen. Auf ihren Backenknochen glühten rote Flecke. Ohne wie sonst zuerst ihr Protokollbuch auf den Schreibtisch zu legen, setzte sie sich hin und achtete nicht einmal darauf, daß ihr Rock nicht zerknitterte.
Susy machte sich auf etwas Schlimmes gefaßt und wappnete sich mit Geduld. Obwohl die beiden früheren Schulkameradinnen im gleichen Alter waren, gleich groß waren und sich auch in Haarfarbe und Teint ähnelten, konnte man sich keine größeren Gegensätze denken. Susy war von Natur liebenswürdig, während Luise ein steifes Wesen hatte. Susys Gesicht war ausdrucksvoll und lebendig, Luises dagegen kühl und unbewegt. Susy lehnte sich lässig zurück, schlug die Beine übereinander und wippte nervös mit einem Fuß, Luise saß steif und gerade da, die Füße dicht nebeneinandergestellt.
»Hören Sie, Susy!« begann sie erregt. »Sie müssen Ihre Schülerinnen fester anpacken. Ich habe Ihnen schon immer gesagt, daß Sie nicht streng genug sind.«
»Was ist denn geschehen?«
»Ich habe heute nacht um eins eine Schülerin dabei erwischt, wie sie durchs Fenster kletterte!«
»Fallen Sie nicht gleich in Ohnmacht, Willi! Wer war es denn?« »Joan Dittmar. Ich wollte gerade mal nach Mary sehen, da hörte ich ein verdächtiges Geräusch aus dem Wohnzimmer. Da ich Einbrecher vermutete, ging ich hinein, um nachzusehen.« Luise schien es gar
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