Susanne Barden 05 - Jung verheiratet
und gefühlt hatten, dann wäre es sicherlich zu einer Verständigung gekommen.
Aber sie fühlten sich zu unsicher. Beide befürchteten, daß der andere sich noch mehr zurückziehen könnte, wenn ein ihm peinliches Thema angeschnitten würde, und diesmal vielleicht für immer. So hinterließ die Unterredung nur Schmerz und Enttäuschung bei Susy und Bill. Sie hatten erkannt, daß sie sich durch eine Aussprache nicht näherkamen. Niedergeschlagen trennten sie sich. Sie wußten, daß sich eine Kluft zwischen ihnen aufgetan hatte, wollten es sich aber nicht eingestehen und taten, als wäre zwischen ihnen alles in Ordnung. Susy gab die Hoffnung nicht auf, daß diese Kluft sich von selber schließen werde, wenn man sie nicht beachtete. Aber es fiel ihr schwer, sie zu übersehen, wenn sie mit Bill zusammen war. Deshalb verbrachte sie ihre freie Zeit mehr und mehr mit Kit. Bill flüchtete mit seinem Angelgerät in Sümpfe und Wälder. Manchmal begleitete ihn Ira Prouty; oft ging er auch allein.
Die neue Klasse bekam nun ebenfalls Hauben und gestreifte Trachten, und die Schülerinnen begleiteten die Gemeindeschwester auf ihren Runden. Die Schule hatte jetzt ein Schülerparlament mit Joan Dittmar als Präsidentin. Und schon begann sich die dritte Klasse zu formen, die im September eintreffen sollte. Es war kaum zu glauben, wie die Zeit dahinflog.
Von Marianna waren zwei Postkarten gekommen - eine aus Florida und eine aus Kansas. »Marianna genießt ihr Leben wenigstens«, dachte Susy mit einem bitteren Lächeln.
Der Juli brachte große Hitze und viele Gewitter mit sich. Auf den Wiesen duftete das Heu. Susy und Bill nahmen Urlaub und verbrachten drei anstrengende Wochen voller Verstellung bei Susys Eltern. Abgespannt und elend kehrten sie zurück.
Auch im August herrschte drückende Hitze. Zwar waren die Nächte in den Bergen schon kühl, aber am Tage kochte das Tal in der glühenden Sonne, und es regnete fast gar nicht.
Als Bill eines Nachmittags heimkam, fand er Susy damit beschäftigt, seine Kleider auf dem Bett auszubreiten.
»Was machst du denn da?« fragte er.
»Ich suche die Sachen heraus, die gereinigt werden müssen. Das wollte ich schon lange machen. Oh, hier ist ein Knopf abgerissen!«
Susy hing eine Locke in die Stirn. Ihr Gesicht war ernst. Sie sah reizend und sehr hausfraulich aus, während sie sich so über Bills Kleider beugte.
Er betrachtete sie schweigend. »Hör mal«, sagte er plötzlich. »Ich muß zu einem Patienten fahren. Willst du nicht mitkommen?«
Sie sah überrascht auf. Es war lange nicht mehr vorgekommen, daß er sie zum Mitkommen aufgefordert hatte.
»Ja, gern«, sagte sie lächelnd. Doch dann umwölkte sich ihr Gesicht. »Ach, ich kann ja nicht! In meinem Büro liegt ein Haufen Post, den ich heute nachmittag erledigen muß. Ich bin furchtbar im Rückstand. Es tut mir sehr leid, Bill, aber ich kann unmöglich fort.«
»Dann ist nichts zu machen«, entgegnete er ruhig und ging aus dem Zimmer.
Susy sah weiter seine Kleider durch, telefonierte die Wäscherei an, sagte Nina Bescheid, welche Sachen sie dem Boten mitgeben sollte, und ging zum Krankenhaus zurück.
Der Briefstapel war von ihrem Schreibtisch verschwunden. Statt dessen lag eine Mappe mit Antwortbriefen da, die sie nur zu unterschreiben brauchte.
Susy war sprachlos. »Wer hat das gemacht?« fragte sie ihre Sekretärin.
»Fräulein Addison.«
Susy ging ins Nebenzimmer. »Mary, was für eine schöne Überraschung!«
»Ach, die Briefe konnte ich auch ganz gut beantworten«, sagte Mary. »Sie sehen elend aus, Susy, und sollten sich mehr freie Zeit gönnen. Gehen Sie fort und unternehmen Sie irgendwas.«
Susy war gerührt. Aber was sollte sie unternehmen? Bill war natürlich längst fort. Zu schade! Wenn sie zusammen in die Berge gefahren wären wie in alten Zeiten. Man konnte nicht wissen.
Kit, die an ihrem Schreibtisch gearbeitet hatte, schraubte ihren Füllfederhalter zu und stand auf. »Ich mach’ mich dünn. Komm mit mir nach Springdale, Susy. Ich spendiere dir auch eine Portion Eis.«
»Ach, Kit, es ist so furchtbar heiß!«
»Unsinn! Geh nach Hause und zieh dich um. In einer Viertelstunde erwarte ich dich mit meinem Wagen vor dem Haus.«
Nach kurzem Zögern gab Susy nach. »Na gut, ich komme!«
Sie fuhren durch die glühende Sonne ins Tal hinunter. Kit hielt vor einem Laden und kaufte ein paar Kleinigkeiten. Dann gingen sie in die Imbißstube, in der es herrlich kühl war. Zufrieden löffelten sie ihr Erdbeereis.
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