Susanne Barden 06 - Heiter bis bewölkt
du dich?«
»Ja, ich freue mich sehr. Warum wolltest du denn fortlaufen? Warst du böse auf mich?«
Nachdenklich betrachtete Bettina einen Knopf an Susys Kleid, während Mona Stuart die beiden gespannt beobachtete. »Auf dich war ich eigentlich nicht böse«, sagte sie schließlich stirnrunzelnd und offenbar um eine ehrliche und genaue Antwort bemüht. »Ich wachte ganz böse auf, aber nicht über etwas Bestimmtes. Es war in mir drin, weißt du. Komisch, nicht wahr?«
»Nun, so sonderbar ist das nicht«, erwiderte Susy. »Jeder Mensch hat manchmal so ein Gefühl. Es ist ganz scheußlich. Wurde es besser, als du fortliefst?«
»O ja! Und dann hab’ ich diese schönen, schönen Bilder gesehen. Und Karlas Mutter war sehr lieb zu mir. Und dann bist du gekommen. Jetzt ist alles wieder gut.«
Nachdem Mutter und Tochter sich innig umarmt hatten, sagte Susy zu Mona Stuart: »Entschuldigen Sie bitte, daß wir Ihnen hier eine Familienszene vorgespielt haben.«
»Wie? Ach, das macht doch nichts.« Die Malerin sah plötzlich müde und abgespannt aus.
Als Susy mit Bettina das Atelier verlassen hatte, wollte sie dem kleinen Ausreißer eigentlich noch einen Vortrag darüber halten, daß man nicht einfach zu Fremden laufen dürfe, wenn man nicht eingeladen sei, und daß man sich nicht in die Angelegenheiten anderer Leute einmischen solle. Doch ehe sie beginnen konnte, rief Bettina: »Ach, da kommt Karla! Sicherlich ist sie bei uns gewesen.«
Karla kam mit langen Beinen über das Feld gelaufen, ihr kurzer Rock war ein gelber Strich auf dem sommerlichen Grün. »Frau Barry!« rief sie schon von weitem. »Ich hab’ Sie überall gesucht.« Mit ein paar Sprüngen stand sie neben den beiden, drückte Bettina an sich und schlang einen Arm um Susys Taille. »Seid ihr im Atelier gewesen? Habt ihr mit Mutter gesprochen?«
»Nur ganz kurz. Bettina hat sie überfallen. Wir gehen jetzt nach Hause.«
»Ich komme mit. Werden Sie mir heute zeigen, wie man ein Bett macht, ohne daß der Kranke aufzustehen braucht?«
»Ja, gern.« Susy nahm Bettina an die Hand und legte einen Arm um Karlas Schulter. »Kommt, Kinder, wir wollen uns Eiskrem machen! Und nachmittags borgen wir uns Ira Proutys Boot und segeln alle zusammen auf dem See.«
Bettina jubelte, und Karla rief begeistert: »Frau Barry, Sie sind einfach wundervoll!«
Lachend und schwatzend gingen die drei durch die sommerliche Welt. Keiner von ihnen kam auf den Gedanken, sich umzudrehen. So sahen sie nicht, daß Mona Stuart in der Tür ihres Ateliers stand und ihnen sonderbar nachblickte.
Beruf und Kinder
Am nächsten Morgen rief Fräulein Layton, die Gemeindeschwester von Springdale, an und bat Susy, sie zu vertreten, da sie ganz plötzlich von einer Kehlkopfentzündung befallen worden sei.
»Wie kommen Sie denn jetzt im Sommer zu einer Kehlkopfentzündung?« fragte Susy.
»Ich weiß auch nicht«, krächzte Fräulein Layton. »Entschuldigen Sie bitte, daß ich so kurz vorher anrufe! Hoffentlich haben Sie nichts anderes vor.«
»Jedenfalls nichts Wichtiges. Ich arbeite gern mal wieder in meinem Beruf.«
»Es ist ja auch nur für einen Tag. Morgen wird’s schon wieder besser mit mir sein.«
»Schon gut! Machen Sie sich keine Sorgen.«
»Gott sei Dank ist im Augenblick nicht viel zu tun. Frau Ventress hat sich beim Kochen einen Fuß verbrüht und ist zu verbinden. Der Kleine von Jim Barnes liegt mit Rheumafieber im Bett. Martha Todds Mädchen muß der Gipsverband abgenommen werden. Fräulein Haller bekommt eine Spritze gegen ihre Gelenkentzündung; ihre Flasche steht im Medizinschrank meines Büros.« Fräulein Laytons Stimme sank zu einem Flüstern herab, während sie die übrigen Patienten aufzählte, die Susy besuchen sollte.
Nachdem Susy sich alles notiert hatte, kehrte sie, munter vor sich hin summend, zum Frühstückstisch zurück.
»Das alte Schlachtroß hört die Trompeten blasen«, kicherte Bill. »Ist die Layton krank?«
»Ja, sie ist stockheiser.«
»Viele Besuche?«
»Es geht. Denk nur, Fräulein Haller hat’s schon wieder gepackt. Dr. Rail behandelt sie jetzt mit einer Spritzenkur. Hoffentlich hilft das was! Wovon mag die Arme nur leben? Mit Gelenkentzündung kann sie keinen Musikunterricht geben.«
»Ich glaube, die Todds unterstützen sie.«
»Die gute Martha! Ein Segen, daß Elias sie geheiratet hat! Sie gibt das Geld wenigstens vernünftig aus. Und er hat sich in der Ehe sehr zu seinem Vorteil verändert. Weißt du noch, was für ein Ölgötze
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