Sushi und Kartoffelbrei Ticktack
verfrachtete ihn Isobel an den kleinen Esstisch im Wohnzimmer. Mit dem Befehl, die mitgebrachte Weinflasche zu öffnen, eilte sie wieder in die Küche, um den Braten aufzuschneiden. Leo schien angenehm überrascht zu sein über den vollen Teller, den ihm Isobel vor die Nase setzte.
»Erstaunlich. Wie bei Muttern«, sagte er und langte nach der Minzsauce und dem Bratensaft.
»Apropos Muttern, wo bist du eigentlich aufgewachsen?«, erkundigte sich Isobel neugierig und folgte mit ihrem eigenen Teller seinem Beispiel.
»Ach, du weißt schon, schäbiger Vorort, kleines Holzhäuschen, zwei Schlafzimmer, Außenklo«, sagte er und blickte sie streitlüstern an.
Isobel tat ihm nicht den Gefallen, ihrem Entsetzen über die ärmlichen Verhältnisse seiner Kindheit Ausdruck zu verleihen. »Und die Braten deiner Mutter waren hervorragend, wie ich vermute?«
Seine Gesichtszüge wurden weich. Offenbar war es nicht
verboten, sich mit Liebe an das Essen von Muttern zu erinnern. Isobel kam der Gedanke, dass all das Fast Food und die Fertiggerichte-Kultur dazu geführt haben konnten, dass die gute alte Hausmannskost wieder in einem neuen Licht erschien. Vorausgesetzt natürlich, selbige Kost wurde von einem Mann reinterpretiert und unter horrenden Kosten und mit einem Fläschchen Olivenöl zum Weißbrot aufgetischt.
»Ach übrigens«, meinte sie und reichte ihm eine Platte, »möchtest du Olivenöl zum Weißbrot?«
»Schpitze«, nuschelte Leo mit vollem Mund.
Er fiel mit ungebremster Leidenschaft über die erste Portion her, verlangte danach eine zweite und brachte sogar noch eine etwas kleinere zwar, aber dritte hinunter, bevor er sich stöhnend zurücklehnte und seinen breiten Ledergürtel öffnete. »Das war einfach unglaublich. Du bist eine fantastische Köchin«, sagte er und musterte sie respektvoll.
»Weißt du, ich muss es noch mal sagen, es ist einfach unglaublich, wie sehr du dich von Clare unterscheidest«, fuhr er fort. »Sie weiß kaum, wie man Wasser kocht, und du zauberst eine solche Mahlzeit auf den Tisch. Wenn ich sie morgen sehe, wette ich, dass wir Pizza essen werden. Na, so wie sie kocht, hoffe ich sogar, dass wir Pizza essen werden.«
Isobel zuckte mit der Schulter. »Nun, sie hat eben nie viel Interesse am Kochen gehabt. Ich eigentlich auch nicht, aber wenn man einen Mann und Kinder zu versorgen hat, muss man’s wohl oder übel lernen. Man kann nicht jeden Abend etwas beim Chinesen bestellen oder von ihnen verlangen, sich von Müsli mit Halbfettmilch zu ernähren wie Clare.«
»Ist jedenfalls interessant, wie unterschiedlich Geschwister sein können, nicht wahr?«, überlegte Leo. »Ich meine, da sind zwei Frauen, die von ein und denselben Eltern erzogen wurden, und dennoch sind sie total unterschiedlich. Du hast die Kiddies, und Clare ist die geborene Karrierefrau. Dauernd liegt sie mir mit Fragen wie ›Sieht mein Hintern in diesen Sachen
dick aus?‹ in den Ohren. Du bist ganz anders. Dir scheint das egal zu sein.«
Isobel runzelte die Stirn. Es war schon komisch, dachte sie, dass sie, obwohl sie Leos Fehler deutlich sah (Arroganz, Unsensibilität, Selbstgefälligkeit), dennoch dieses irrationale Bedürfnis nach seiner Anerkennung verspürte. »Ich glaube dich gerade sagen gehört zu haben, dass ich kein Hirn und einen fetten Hintern habe«, meinte sie.
»Keineswegs.« Leo wischte mit einem Stück Brot den letzten Rest Sauce von seinem Teller auf. »Es freut mich wirklich, mal eine Frau vor mir zu haben, die kein Hungergestell ist. Nicht, dass Clare ein Hungergestell wäre, aber du weißt schon, was ich meine. Und du hast jede Menge Hirn, es ist nur so, dass du das nicht demonstrieren musst, indem du im knappen Kostümchen mit hochhackigen Schuhen rumläufst. Und natürlich freue ich mich, dass Clare so karrierebewusst ist«, sagte Leo glatt, nahm seinen leeren Teller und hielt ihn ihr hin. »Hast du was von Brotpudding gesagt? Ich liebe Brotpudding. Mit Sahne?«
»Doppelfett sogar.«
Nach dem Essen saßen sie auf Clares Sofa, tranken frisch gebrühten Kaffee und ein Gläschen irgendeines komischen Portweins, den sie in Clares bunt zusammengewürfelter Spirituosensammlung gefunden hatten.
Leo seufzte zufrieden und nahm sich noch eine hausgemachte Trüffelpraline von der Platte auf dem Wohnzimmertisch, auf dem auch seine schwarzbeschuhten Füße lagerten.
»Also das hier bringt mich auf den Gedanken, dass die Ehe doch ihre Vorteile hat. Es ist herrlich für einen Mann, von einem schweren
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