Sushi und Kartoffelbrei Ticktack
darauf
warteten, dass sie einen Satz zu Ende sprach – was jedoch überhaupt nicht in ihrer Absicht lag.
»Dimmy! Ich freue mich auch, Sie zu sehen!«, jauchzte Daisy. »Wie wär’s mit einem Glas Wein?«
Der Trick bei solchen Lunch-Einladungen war es, Dimmy so rasch wie möglich abzufüllen, da sie ganz schön stachelig sein konnte; die richtige Menge Alkohol jedoch brachte sie in eine wohlwollende Stimmung. Es war deshalb nicht verwunderlich, dass die erste Flasche schon halb leer war, als ihr Essen eintraf – Steak für Dimmy und gebackenen Fisch für Daisy. Anschließend lehnte Dimmy sich behaglich zurück. In ihren voluminösen Walle-Walle-Stücken – alles Herbsttöne, die sich jedoch ein klein wenig bissen -, sah sie aus wie eine in einem Laubnest brütende Henne.
»War noch nie hier«, stellte Dimmy fest und ließ den Blick über die nackten weißen Wände, den Betonboden und die Bar schweifen, die aussah wie eine Industriebaustelle. »Minimalismus trifft urbanen Verfall!«
»Ich wusste doch, es würde Ihnen gefallen«, sagte Daisy fröhlich. »Und wie läuft’s bei Who’s ?«
»Tipptopp! Glauben Sie bloß nicht alles, was Sie über die Auflagen hören. Einfach unerhört, wie diese Schmierblätter die Zahlen verdrehen. Die Artikelserie über den Verfall der Zeitschriftenindustrie war blanker Unsinn. Wir sind stärker und besser denn je.«
»Also, Ihren Artikel über Jennifer Aniston letzte Woche fand ich besonders beeindruckend«, lobte Daisy und kreuzte heimlich unter dem Tisch die Finger. Immerhin, ein Schnappschuss von einer ungeschminkten Aniston, deren nasse Haare in einem Handtuch steckten, war nicht gerade ein atemberaubender Anblick. Man konnte schließlich nur eine begrenzte Menge an Kinn vertragen. Daisy verstand einfach nicht die diebische Freude, mit der Klatschzeitschriften dieselben Idole, die sie in so vielen Ausgaben mit
aufbauen halfen, wieder vom Sockel rissen. »Seht eure Stars ganz ungeschminkt! Schaut euch ihre Zellulitis an! Schaut, wie sie sich mit dem umwerfenden Boyfriend streiten, dass die Fetzen fliegen!« Für Daisy ergab das einfach keinen Sinn, aber vielleicht war sie ja deswegen PR-Beraterin geworden und nicht Zeitschriftenredakteurin.
Dimmy jedenfalls kannte derartige Skrupel nicht. »Heuler, was? Glänzende Auflage! Könnte kaum besser …«
Nach dem Lunch, doch bevor Dimmys Schokolade-Haselnuss-Törtchen eintraf, brachte Daisy die Sprache geschickt auf Samantha Perkin. Jung, hübsch, begabt, ehrgeizig, stand kurz davor, ihre erste Rolle in einer Fernsehserie an Land zu ziehen. Noch nichts Konkretes im Moment, was nur daran lag, dass die Produzenten mit den Einzelheiten gerne hinter dem Berg hielten. Wäre es möglich, sie irgendwo in Who’s News zu platzieren? Überhaupt nicht wählerisch. Wie wär’s in einer der Sommer-Ausgaben? Ideal für das Mädel. Vielleicht was am Strand? Daisy merkte, dass sie anfing, genau wie Dimmy zu reden.
Dimmy schenkte sich nach und musterte Daisy mit einem durchtriebenen Blick. »Echt oder Pipeline?«
Daisy hielt nicht viel von Lügen, zumindest nicht von direkten. »Pipeline. Aber sie hat gute Chancen. Die Kazabah-Kampagne ist enorm erfolgreich und die Kleine hat jede Menge Drive. Sie wären von Anfang an dabei und könnten ein gutes Verhältnis zu ihr aufbauen, was beiden Seiten zugute käme. Davon würde die Zeitschrift über Jahre profitieren. Erste Beziehungen, Hochzeit, Babys, Gewichtszunahme, Diät, Scheidung, Gewichtszunahme, Diät …«
Dimmy nickte einmal kurz. »Eventuell. Werde drüber nachdenken. Ruf Sie an, falls. Ah, Nachspeise! Nur drauf gewartet. Sicher, Sie nicht?«
Daisy schüttelte den Kopf. »Nein, nicht für mich. Ich gehe heute Abend schon wieder ins Restaurant.«
Mit sichtbarem Hochgenuss machte Dimmy sich über ihr Törtchen her.
»Wissen Sie, ich könnte Ihnen einen Tipp geben«, nuschelte sie mit vollem Mund, und beäugte Daisy fast liebevoll über ihr klebriges Törtchen hinweg.
»Wundervoll«, meinte Daisy halbherzig. Ein Tipp von Dimmy brachte Samantha Perkin leider nicht in die Zeitschrift. Eher war es so, dass sie wohl gar nicht die Absicht hatte, Sam einen Artikel zu widmen – wenn sie Daisy mit einem Tipp abspeisen wollte.
»Apropos ›Ocean Street‹. Bin weit mehr an dem neuen Mädchen interessiert. Soll das Superbiest spielen.« Dimmy beugte sich vor, was nun so wirkte, als hätte sie ihr Stoffnest halb auf den Tisch verlagert. »Vergesse dauernd ihren Namen, hab sie nie gesehen,
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