Sushi und Kartoffelbrei Ticktack
war nicht schlecht, jemanden, den man um einen Gefallen bitten wollte, im letzten Monat zum Essen eingeladen zu haben.
Rasch eilte sie dann ins Bad, um ihren Lippenstift aufzufrischen und war schon fast aus der Tür, als ihr einfiel, dass sie sich ja heute Abend mit ihren Freundinnen Carmen und Doris in einem Restaurant verabredet hatte. Einen Moment lang war sie versucht, das Treffen abzublasen. Sie sollte lieber den Abend mit Tom daheim verbringen, um ihn noch mal wegen ihrer neuen Strategie zu bearbeiten. Andererseits konnte sie es kaum abwarten, den anderen das gestrige Dinner zu schildern. Was noch besser war: Sie würde sicherlich von ihren zwei Freundinnen mit Mitgefühl überschüttet werden sowie der Versicherung, dass sie keineswegs eine trampelige Kuh war, die nicht wusste, wann sie besser die Klappe hielt. Sie rannte noch mal zum Telefon und wählte die Nummer der Veterinärklinik.
Als sie Carmen dran hatte, bestätigte Daisy noch mal, dass sie heute Abend ganz bestimmt kommen würde.
»Klaro«, sagte Carmen fröhlich. »Wir sehen uns dann dort.«
Es bestand überhaupt keine Frage, was mit ›dort‹ gemeint war. Sie trafen sich immer beim Japaner in Mosman. Japanische Restaurants waren überhaupt der bevorzugte Treffpunkt von Frauen – die Speisen waren so gesund, so fettarm, fast, als würde man überhaupt nichts essen. Man konnte ausgehen, sich durch eine üppige Sushi-Platte arbeiten und sich hinterher dennoch vollkommen beherrscht und, ja, angenehm
hungrig fühlen. Ihre Freundin Doris, die aus einer traditionellen – einst streng traditionellen – griechischen Familie stammte, sagte immer, dass der Feminismus und die japanische Küche die Frau im zwanzigsten Jahrhundert am allermeisten geprägt hätten. Und es sah nicht so aus, als würde das im einundzwanzigsten recht viel anders werden.
»Ach, übrigens«, fügte Daisy noch hinzu, »ich mache mir ein bisschen Sorgen um Chump. Seine Unterlippe ist irgendwie rot und geschwollen, vielleicht eine Allergie oder so was. Soll ich nicht mal mit ihm vorbeikommen?«
Carmen gab einen Stoßseufzer von sich. »Also ehrlich, Daisy, dieser Fimmel von dir wird immer schlimmer. Du bist ein richtiger Hypochonder und machst Chump glatt zum eingebildeten Kranken. Wusstest du, dass manche Mütter sogar den eigenen Kindern Gift geben, bloß damit im Krankenhaus ordentlich Wirbel entsteht? Du musst aufhören, den Hund so zu verhätscheln. Er ist ein kerngesunder, normaler, robuster Border Collie und braucht keinen Zirkus!«
»Ich weiß«, wandte Daisy ein, »aber da ist diese Rötung …«
»Behalt ihn im Auge und bring ihn vorbei, falls es schlimmer wird oder in vier Tagen nicht verschwunden ist. VIER Tage, klar?«
»Okay. Vier Tage. Bis heute Abend dann.«
Daisy legte auf und verschwand noch mal rasch im Bad, um ihr pflaumenblaues Kostüm zurechtzuzupfen. Sie liebte Vintage-Klamotten, stöberte für ihr Leben gern in Secondhandläden oder Retro-Boutiquen herum, auf der Suche nach knappen, taillierten Kostümen aus den Vierzigern oder kessen Blusenkleidern aus den Sechzigern, die man mit Cardigans und flachen Schuhen trug. Aber jetzt, fünfunddreißigjährig, fragte sie sich, ob sie dafür nicht allmählich zu alt wurde. Wie lange konnte sie noch auf süß und jung machen? Manchmal dachte sie, sie sollte ihre wilden blonden Locken
abschneiden lassen und sich ein paar geschmackvolle Laura-Ashley-Slippers zulegen, bevor sie sich komplett lächerlich machte.
Sie seufzte. Irgendwann musste man ja mal erwachsen werden. Aber wann? Bisher hatte immer die vage Vorstellung in ihrem Kopf herumgegeistert, dass dies ohnehin auf wundersame Weise geschähe, sobald sie Kinder bekäme – als ob die Mutterschaft einen völlig neuen Menschen aus einem machte, voller Anmut, Geduld und Reife. Wie eine Art Carolyn Besette Kennedy, aber ohne das mit dem Flugzeugabsturz. Nun, wenn ihr die Mutterschaft nicht vergönnt war, dann würde sie das mit dem Erwachsenwerden wohl demnächst alleine schaffen müssen. Aber schon der Gedanke an klassisch geschnittene Hosen und gut sitzende Zweiteiler verursachte ihr Magendrücken, als würde sie damit nicht nur ihren Kleidungsstil sondern ihr ganzes Wesen umkrempeln. Außerdem war es die Schuld ihrer Eltern. Warum mussten sie sie ausgerechnet Daisy nennen? Wenn sie ihr einen Namen wie Lauren oder Elizabeth gegeben hätten, dann wäre sie sicher schon vor Jahren erwachsen geworden.
Bei einem Blick auf ihre Uhr merkte sie mit Schrecken, dass
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