Sushi und Kartoffelbrei Ticktack
verlängertes Wochenende?«
»Wieso nicht? Solange es Zimmerservice und einen Pay-TV-Kanal mit Pornos gibt.«
Sie wateten durch den dicken blauen Teppichboden zum Empfang.
»Mrs. Daisy Change? Willkommen in St. Benedicts«, begrüßte eine Dame sie freundlich. Sie war ganz im Margaret-Thatcher-Stil gekleidet, bis hinauf zu der Schleife am Blusenkragen. »Wenn Sie einfach den Lift in den dritten Stock hinauf nehmen, wird man Sie dort am Eingang weiterleiten.«
Mit Schmetterlingen im Bauch watete Daisy mit Tom zurück zum Lift. Und wenn man ihr noch so oft sagte, dass es reine Routine war, sie hatte Angst vor einer Vollnarkose. Ganz davon zu schweigen, dass sie mit irgendeinem Gas voll gepumpt werden sollte. Sie stellte sich vor, wie sie langsam vom Bett abhob und zur Decke schwebte; dann gäbe es einen
Knall und sie würde mit einem peinlichen Furzgeräusch durchs Zimmer wirbeln. Daisy, der unerhörte menschliche Ballon!
»Du musst nicht mit raufkommen. Düs’ jetzt lieber wieder ins Büro«, sagte sie zu Tom, als sie auf den Lift warteten. »Du musst nur bis siebzehn Uhr dreißig wieder da sein, um mich abzuholen.«
Tom zögerte. »Bist du sicher?«
»Ganz sicher. Es geht mir gut. Ich fahre jetzt einfach da rauf, lege mich in ein Bett und warte, bis sie mich holen.«
»Okay, wenn du unbedingt willst.« Er beugte sich vor und gab ihr ein Küsschen auf die Backe. »Viel Glück! Ich denke an dich.«
»Danke.«
Daisy sah ihm nach und wünschte, sie hätte ihm das Angebot nicht gemacht. Immer tat sie so was – versicherte Tom, es gehe ihr gut, auch wenn es überhaupt nicht stimmte. Das Erstaunlichste an der Sache war, dass er in zehn Ehejahren noch immer nicht gelernt hatte, dass ›es geht mir gut‹ in Wirklichkeit ein weibliches Codewort für ›na ja – eigentlich nicht‹ war. Er pflegte, alles wörtlich zu nehmen, und dann ärgerte sie sich über sich selbst, weil sie nicht offen und ehrlich rausbrachte, was Sache war. Jetzt kam sie sich ganz verloren vor, wie sie da vor dem Lift stand, mit ihrem alten Rucksack voll leichter Lektüre und einer Zahnbürste – man konnte nie wissen, wann man sie mal brauchte. Jetzt reiß dich zusammen, ermahnte sie sich. Ist doch bloß der niedrige Blutzuckerspiegel. Wenn es etwas gab, was sie hasste – abgesehen von diesen langen und absolut blöden Alkoholwerbespots, die wenig Sinn ergaben -, dann war es, nicht essen zu dürfen. Die Pizza von gestern Abend schien eine Ewigkeit her zu sein. Immerhin, als sie heute früh im Auto das Radio andrehte, hatte Sade ›Smooth Operator‹ gesungen, was Daisy definitiv als gutes Zeichen wertete.
Der Lift landete mit einem leisen ›pling‹, und Daisy schleppte sich hinein. Auch hier gab es jede Menge Hochglanzpaneele und außerdem diese rosagetönten Spiegel, die einen gleich zehn Jahre jünger erscheinen ließen.
Oben auf der Station sah es auch mehr wie in einem Kurhotel aus als wie in einem funktionellen Krankenhaus. Hinter dem Empfang stand eine weitere Dame mit Schleifchenbluse. Sie führte Daisy zu ihrem Zimmer, in dem ein großes Bett, ein fast noch größerer Fernseher und die größte Minibar ihres Lebens standen. Angeschlossen war ein großzügiges Badezimmer, und auf einem Tischchen am Fenster stand ein Strauß frischer gelber Rosen.
»Ich glaube, hier werden Sie sich wohl fühlen«, schnurrte die Dame. »Vielleicht möchten Sie ja schon einmal aus Ihren Sachen schlüpfen, dann bringe ich Ihnen einen Morgenmantel, den Sie anziehen können, bis der Doktor sich Ihnen widmet. Sie sind für zehn Uhr dreißig eingeplant, also können Sie sich ruhig noch ein wenig entspannen.«
Ganz wie versprochen, tauchte sie kurz darauf mit einem kuschelweichen Frotteemantel auf, der sogar angewärmt war – als käme er gerade aus dem Trockner. Daisy hängte ihn sich um und wurde auf einmal von einer köstlichen Müdigkeit überrollt. Plötzlich kam es ihr gar nicht mehr so komisch vor, am helllichten Tag in einen plüschigen Bademantel zu schlüpfen und sich so wohl und sorglos zu fühlen wie ein kleines Kind. Endlich, nachdem sie sich so lange mit ihrem widerspenstigen Körper abgeplagt hatte, durfte sie die Kontrolle an jemand anderen abgeben. Nach dem Motto, ›da habt ihr’s, mal sehen, was ihr damit anfangen könnt!‹. Sie wäre von Herzen froh, wenn sie für den Rest ihres Lebens kein Buch über Fruchtbarkeitstechnologien mehr lesen und keine Temperaturkurve mehr zeichnen müsste. Endlich einmal keine Verantwortung mehr
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