Sushi und Kartoffelbrei Ticktack
ich«, beharrte Daisy, nicht gerade überzeugend. »Abgesehen davon, dass ich nicht schwanger werde, geht’s mir gut. Tolles Haus, toller Hund, liebender Gatte. Und mit meinem Unternehmen scheint es auch endlich zu klappen.«
»Dann ist zwischen dir und Tom also alles in Ordnung?«
»Sicher.« Daisy konnte Nell unmöglich die Wahrheit sagen. Nicht in dieser Situation, wo Rob so krank war. Nell würde ihr nur eine Predigt über die Bedeutung des Eheversprechens halten. Sie würde sagen, sie solle aufhören, immer nur an sich selbst und ihr eigenes Leben zu denken und stattdessen mal an andere. Vielleicht bei ›Essen auf Rädern‹ aushelfen oder so. Irgendwas, um sie von ihrer Nabelschau abzuhalten und ihrer Kritiksucht.
Außerdem war sich Daisy im Moment gar nicht so sicher bezüglich der Wahrheit. Ihre Gefühle für Tom schlugen die reinsten Purzelbäume.
Nell nickte, aber Daisy merkte, dass sie noch skeptisch war. »Ich hatte den Eindruck, dass die Dinge zwischen euch – nicht zum Besten stehen. Allerdings bin ich keine Expertin …«, entschuldigte sie sich.
»Du bist seit vierzig Jahren verheiratet, da weißt du sicher mehr als ich«, lautete Daisys Kommentar.
Nell verdrehte die Augen. »Was sagt man sich über die Ehen anderer Leute? Man sieht nie mehr als die Spitze des Eisbergs?«
»Aber vierzig Jahre sind eine verflucht lange Zeit. Gab es nie Phasen, wo du es, na ja, ein bisschen über hattest?«, wollte Daisy wissen.
Nell blickte auf Rob, der nach wie vor fest schlief. »Nun,
wenn ich wirklich scharf überlege, dann gab’s das schon mal«, gestand sie leise. »Natürlich hat man sein Leben ab und zu satt. Man sucht überall nur das Schlechte und nicht mehr das Gute. Und man vergisst, für den Menschen zu danken, mit dem man zusammen sein darf. Man fängt an, ihn nicht mehr wahrzunehmen . Aber das ist nur menschlich, wenn du mich fragst.«
»Und wie hast du’s durchgehalten? Eure Ehe, meine ich.«
Nell schaute sie verwirrt an. »In unserer Generation hatten wir keine Wahl. Man heiratete und dabei blieb es. Das war selbstverständlich.«
»Hättest du eine andere Wahl getroffen, wenn du zu meiner Generation gehören würdest?«
Nell streichelte sanft über Robs knorrige Hand, die auf der kratzigen Krankenhausdecke lag und deren Finger im Schlaf ein wenig zuckten. »Ich weißt nicht, hoffentlich nicht«, sagte sie. »Leider kann ich nur raten, wie es für Frauen in deinem Alter sein muss. Die stehen heute ganz anders unter Druck als wir früher. Man erwartet ungleich mehr von euch. Heutzutage müssen Frauen jung und umwerfend und sexy bleiben, müssen Superkids haben, dazu erfolgreich im Beruf sein, einen Ehemann, der sie anbetet sowie ein schickes Haus. Sicher gab’s Zeiten, in denen ich alles satt hatte, selbst Rob. Du weißt ja, wie er ist. Er kann einfach nicht über seine Gefühle sprechen. Am Anfang unserer Ehe hab ich hartnäckig versucht, ihn aufzutauen, doch er hat immer nur so was gesagt, wie ›kein Zweck, drüber zu reden‹, und ist mit seiner Pfeife rausgegangen.«
»Ich kann mich noch an den Tabakgeruch erinnern. Er hat den Beutel grundsätzlich in der zweiten Schublade im Schreibtisch aufbewahrt.«
Nell lächelte. »Er liebte diese Pfeife. Der Doktor hat Jahre gebraucht, um sie ihm abzugewöhnen. Das war ein herber Verzicht für ihn. Na jedenfalls, mit der Zeit wächst man
einfach, ja, irgendwie umeinander herum. Wie Bäume, die sehr dicht nebeneinander stehen. Vielleicht sind am Ende beide Stämme ein bisschen schief, aber sie gehören zusammen. Und es wird besser. Einfacher. Diese letzten Jahre … waren wir wirklich wie verwachsen.«
»Und es macht dir nichts aus, ein bisschen – schief dazustehen?«
»Ich denke, am Ende geht es uns allen gleich, ob verheiratet oder nicht. Ich hätte die ledige Farmerstochter bleiben können, die meine Eltern sich wünschten; aber ich glaube nicht, dass ich zuletzt – na ja – gerader dastünde, als jetzt. Womöglich wäre eine alte Klatschtante aus mir geworden, oder ich hätte andauernd an der Rechtschreibung in den Zeitungen herumgemeckert. Immerhin haben Rob und ich was erreicht: Wir haben es ein Leben lang miteinander ausgehalten, und das braucht oft mehr Toleranz und Geduld, als die meisten aufbringen. Es einfach durchzustehen, bedeutet schon sehr viel. Deshalb veranstalte ich auch so ein Theater um unser Vierzigstes.« Stumme Tränen rannen ihr über die Wangen. »Was soll ich bloß ohne ihn anfangen?«
Daisy langte übers
Weitere Kostenlose Bücher