Sushi und Kartoffelbrei Ticktack
nach der Schwester Ausschau, die mit der Bettpfanne für Rob kommen sollte.
Rob lüftete mit zittriger Hand seine Maske.
»Wenn man auf die Schwester wartet, kommt sie nie …«, gelang es ihm zu scherzen.
Nell, die sich über Rob beugte und ihm gut zuredete, ein bisschen zu schlafen.
»Du musst dich ausruhen. Du hast nichts als gequasselt, den lieben langen Tag«, sagte sie liebevoll.
»Nein, du«, entgegnete er zwinkernd.
Spät am Nachmittag, als er seine Einschlafversuche aufgab, murmelte er etwas.
»Was ist, Dad? Was kann ich für dich tun?«, fragte Daisy und fuhr vom Stuhl hoch, auf dem sie fast eingedöst war.
»Erzähl«, murmelte Rob.
»Erzählen? Du meinst, was vorlesen? Aus der Zeitung? Oder ein Buch?«
»Geschichte erzählen«, beharrte Rob und wälzte den Kopf unruhig auf dem Kissen hin und her.
Daisy war platt; eine solche Bitte war vollkommen untypisch für Rob, den Praktikus, den bodenständigen Landmann.
»Eine erfundene Geschichte? Oder was von früher?«, hakte sie nach.
»Von früher«, beharrte er heiser.
»Also gut.« Daisy überlegte fieberhaft. »Weißt du noch diese Maus, die ich hatte, als ich ungefähr zehn war, die kleine weiße Queenie? Du hast dieses wundervolle zweistöckige
Gebilde für sie gebaut – fast schon eine Villa. Ich weiß noch, wie ich sie einmal unterm Haus verloren hab. Sie saß beim Mittagessen auf meiner Schulter, und als ich dann zum Spielen unter die kühle Veranda kroch, da war sie plötzlich weg. Ich hab furchtbar geheult und andauernd gesagt, jetzt wäre sie sicher von der Katze erwischt und gefressen.«
Rob nickte leicht. »Hast den Teufel an die Wand gemalt«, murmelte er.
»Na jedenfalls, du warst ihr Wiederfinder. Ich weiß nicht, wie – obwohl ich mir immer vorgestellt hab, wie du unter der Veranda sitzt, mit einer Schale Milch und einem Brocken Brot und wartest und wartest, bis sie rauskommt, wenn sie Hunger hat, um sie dir zu schnappen. War’s so? Du musst eine Engelsgeduld gehabt haben, so lange auf eine einzige kleine Maus zu warten. Und danach war sie natürlich trächtig und bekam all diese kleinen nackigen Feldmausbabys. Müssen fast ein Dutzend gewesen sein. Aber ich wollte nicht zulassen, dass du sie tötest; ich bestand darauf, dass du sie freilässt, draußen auf dem Feld, wo sie ein glückliches freies Mäuseleben führen konnten.«
»Rotznase …« Rob verzog die Mundwinkel. »Du – nicht die Mäuse.«
»Du bist weit rausgefahren, raus in den Busch, denn du hast gesagt, sie sollen sich wenigstens nicht auf deinen Feldern den Bauch voll schlagen. Und es hat gegossen, und du standst unter einem großen Schirm und hast das Maushäuschen ausgeschüttelt, damit sie alle rauskamen – aber das war nicht so leicht, weil’s ja zwei Stockwerke hatte. Diesen Tag werde ich nie vergessen. Oder die unglaubliche Geduld, die du gehabt haben musst, um Queenie wieder für mich einzufangen.«
Rob, der noch immer lächelte, hatte die Augen geschlossen und Daisy hoffte, dass er ein wenig eingedöst war.
Finsternis und noch mehr Visiten, diesmal von der
Physiotherapeutin, die weiterhin so tat, als wolle sie Rob das Schlucken beibringen.
»Ach, die machen sich noch die Mühe, ihn künstlich zu ernähren?« Die Dame beäugte den Nasenschlauch. Sie sprach laut, ohne sich darum zu kümmern, ob Rob schlief oder nicht.
Daisy dachte, Nell würde der Person gleich eine scheuern. Sie hatte sie so schnell nach draußen verfrachtet, dass die nicht mal mehr ihr Klemmbrett mitnehmen konnte, welches Daisy ihr wütend durch die Tür nachschob.
Noch eine von einer Straßenlaterne beleuchtete Szene, später am Abend. Daisy und Nell saßen einander gegenüber an Robs Bett und streichelten ihm die Hände. Einige Zeit zuvor hatte er geklagt, seine Füße wären kalt oder eingeschlafen, doch nun schienen sie ihm keine Probleme mehr zu bereiten. Wenn er seine Beine bewegt haben wollte, bat er Daisy darum.
Nell sang leise. Sie hatte eine rauchige melodische Stimme und sang jedes Lied von Cole Porter, Robs Lieblingskomponisten, das ihr in den Sinn kam. Im Moment sang sie, ›I’ve Got You Under My Skin‹.
Plötzlich lüftete Rob die Sauerstoffmaske. »Muss hoch, gehen«, murmelte er.
Nell beugte sich über ihn. »Was sagst du, Lieber?«
»Muss gehen, paar Schritte«, keuchte er heiser. »Wenn ich paar Schritte gehe, lassen sie mich raus.«
»Ja, genau, Dad«, drängte Daisy. »Du musst nur wieder zu Kräften kommen und ein bisschen rumgehen, dann hast du es
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