Sushi und Kartoffelbrei Ticktack
und die sich dieses große, zweistöckige Haus gebaut haben, und erst vor kurzem haben sie sich eine Ferienwohnung an der Küste zugelegt. Sie schwört regelrecht auf diese Tabletten.«
Isobel fand ihren Schlüsselbund schließlich unten in der Obstschale. »Mum, ich bin sicher, dass Ellen völlig gesund ist. Selbst wenn sie kein Ferienhaus und keine Vitamintabletten hat. Mir ist lieber, sie isst gesunde, ausgewogene Hausmannskost«, erklärte sie in festem Ton.
»Und hast du schon von Clare gehört?«, fuhr June geschäftig fort, als hätte Isobel überhaupt nichts gesagt. »Sie hat letzte Woche Gerard Depardieu interviewt. Ist das nicht wundervoll? Was für ein Leben sie doch führt.«
»Ja, sie führt ein sehr interessantes Leben. Hör zu, Mum …«
»Ich hab schon immer gesagt, Clare macht mal was ganz Faszinierendes. Sie war schon immer ein so kluges kleines Ding, hat immer geplappert, konnte nie still sein.«
»Ja, ja, sie war wirklich süß. Ist sie nach wie vor«, sagte Isobel mit einem Stich. Ihre Mutter schaffte es stets, ihr das Gefühl zu geben, selbst farblos und uninspirierend zu sein. Ständig gab es jemand anderen mit einem aufregenderen Job, einem größeren Haus oder besser umsorgten Kindern. Vielleicht dachte June ja, Isobel mit diesem Beispielen zu noch härteren Anstrengungen anspornen zu können. Und vielleicht hatte sie sogar Recht. »Mum, tut mir wirklich Leid, aber ich muss jetzt einfach weg. Ich ruf dich morgen an …«
»Ach ja, du musst gehen. Sonst verspätest du dich noch, und ich möchte nicht, dass Ellen sich möglicherweise ängstigt, wo du bleibst. Grüß mir Phil.«
Isobel knallte den Hörer auf die Gabel und hetzte die Treppe hinauf, um Alex zu holen. Jetzt blieb natürlich keine Zeit mehr, um ihn sanft hochzuheben, in seinen Autositz zu verfrachten und leise loszufahren, während er süß weiterschlummerte. Er würde zehn Minuten brüllen, und sie würde sich abhetzen, um rechtzeitig da zu sein.
Genau eine Minute nach drei Uhr parkte sie den Wagen vor dem Kindergarten. Der »Fast-Track«-Kindergarten war in einem verwitterten Holzhäuschen untergebracht, mit einem hellblau-rosa Anstrich, umgeben von einem riesigen Gartengrundstück, was insgesamt ähnlich aussah wie das, was Hänsel und Gretel im Wald gefunden haben mochten.
Isobel zerrte den Buggy aus dem Kofferraum und klappte ihn auf. Alex, dessen laute Proteste mit Hilfe einer Fruchtstange zu einem Schnüffeln abgeklungen waren, wurde ins Wägelchen verfrachtet, und Isobel begann sich einen Weg durch das Heer von Müttern, Buggys und Kindern zu bahnen, das sich aus dem Kindergarten ergoss.
Während sie sich besorgt nach Ellen umblickte, kam eine
zierliche junge Frau mit fröhlichen dunklen Augen und einem knabenhaft frechen Haarschnitt auf sie zu. Das war die Kindergartenleiterin mit dem ungewöhnlichen Namen Miss Skandi. Isobel fand Skandis elfenhafte Erscheinung perfekt für die ohnehin märchenhafte Atmosphäre des Kindergartens.
»Ach, Isobel«, meinte Skandi fröhlich. »Ich hab Sie schon gesucht. Könnte ich kurz in meinem Büro mit Ihnen reden?«
»Ist alles in Ordnung mit Ellen?«, fragte Isobel mit einem Stirnrunzeln, während sie der zierlichen Frau in ihr winziges Kabäuschen von einem Büro folgte, wo lediglich ein kleiner Holzschreibtisch mit einem fröhlichen knallroten Anstrich und zwei Klappstühlen mit blau-weiß-gestreifter Bespannung Platz fanden.
»Kein Grund zur Sorge. Setzen Sie sich doch bitte«, sagte Skandi und wies mit einer Handbewegung auf einen der Klappstühle, während sie selbst auf der Kante ihres Schreibtisches Platz nahm. »Es ist nur so, dass eine unserer Betreuerinnen heute festgestellt hat, dass Ellen Kopfläuse hat.«
»Was?« Isobel kreischte beinahe.
»Kopfläuse«, wiederholte Skandi laut, als ob Isobel taub wäre. »Kein Grund zur Sorge. Das Problem taucht immer wieder schubweise in Kindergärten und Grundschulen auf. Sie brauchen sich bloß ein Läuseshampoo aus der Drogerie zu besorgen und einen feinen Kamm. Das Ganze wird im Nu ausgestanden sein.«
Isobel merkte, wie ihr die Marsriegel hochkommen wollten. Natürlich wusste sie, dass Kopfläuse vorkamen, wenn kleine Kinder in engem Kontakt miteinander standen, aber doch keinesfalls bei ihrem Kind. Unvermittelt stand ihr das Bild aus einem Zeitschriftenartikel vor Augen, eine Großaufnahme von einer Kopflaus, die wie ein urzeitliches Monster auf dem Kopf eines Kindes saß. Beim Gedanken, dass so etwas durch Ellens
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