Sushi und Kartoffelbrei Ticktack
manchmal kam Isobel schon der Gedanke, dass sie eventuell leicht übertrieben hatte, als sie beschloss, jede wache Stunde von Ellens Tag mit stimulierenden und förderlichen Aktivitäten anzufüllen. Neidisch beobachtete Isobel, wie sich andere Kinder still allein beschäftigten. Sie fragte sich, ob Ellens Unfähigkeit, das zu
tun, möglicherweise an einem Mangel an Vorstellungskraft lag, der behoben werden sollte. Kindertheater vielleicht? Oder moderner Tanz? Andererseits, wenn sie nicht mit Ellen spielte, mochte das die Kreativität ihrer Tochter behindern.
Nun, heute Abend zumindest hatte sie eine gute Ausrede, nicht auf allen vieren auf dem frisch gesaugten Teppich herumkriechen zu müssen. Die Kartoffeln mussten ins Rohr. Die Kinder mussten unbedingt in die Wanne, das Läuseshampoo musste (laut Packung) zehn Minuten einwirken, danach musste sie ihnen die Haare sorgfältig auskämmen.
Weil ihr kein anderer Ausweg einfiel, schob sie eine Kassette ins Videogerät.
»Aber es is noch nich dunkel, du hast gesagt, Videos nur wenn’s dunkel ist«, krähte Ellen besserwisserisch.
»Ich weiß, mein Schatz, aber Mummy muss was Wichtiges in der Küche tun, also darfst du heute ausnahmsweise bei Tageslicht ein Video sehen.«
Erleichtert sah Isobel, dass Ellen, wie stets völlig hingerissen von den Vorgängen auf der flimmernden Mattscheibe, vor dem Gerät auf den Teppich sank. Ein riesiger lila Dinosaurier mahnte sie fröhlich, alle Menschen zu lieben und sich vor dem Essen immer die Hände zu waschen.
Isobel wollte gerade nach dem Kartoffelschälmesser greifen, als sie Alex aus seinem Laufställchen in der Ecke schreien hörte. Seine Alphabetkarten hatten ihren Reiz verloren, und er wollte sein Abendessen.
Sie eilte zum Ställchen, um ihn herauszuholen, dann ging sie eilig, ihn auf der Hüfte wippend, zum Herd zurück, wo sie rasch die Käsesauce für den Blumenkohl umrührte.
Als das Telefon klingelte, klemmte sie sich den Hörer unters Kinn, rührte mit der Linken weiter in der Sauce und wippte Alex mit dem rechten Arm auf und ab.
»Alles okay?«, erkundigte sich Phil.
»Sicher, alles prima«, rief Isobel über Alex’ hungriges Protestgebrüll
hinweg. »Nun, etwas gibt’s schon, aber das sage ich dir, wenn du heimkommst.«
»Soll ich noch irgendwas besorgen?«
»Nein, ich hab schon alles«, übertönte sie den Lärm. »Sieh bloß zu, dass du so schnell wir möglich heimkommst, es gibt eine Menge zu tun.«
Phil versprach es ihr und verabschiedete sich hastig. Wahrscheinlich wollte er dem ohrenbetäubenden Gezeter seines Sohnes so schnell wie möglich entrinnen.
Isobel wusste, dass Phil trotz seiner Versprechungen um die übliche Zeit durch die Haustür marschiert kommen würde. Phil glaubte, Leute zum Dinner dazuhaben bedeutete lediglich, am nächsten Tag Reste übrig zu haben. Er hatte keine Ahnung, wie viel zusätzliche Arbeit es für sie bedeutete, dachte Isobel voller Frustration. Er würde gar nicht auf die Idee kommen, dass sie zuvor durchs Haus hetzte, Badezimmer wienerte, sich in Feinkostläden für Käse, frisch gemahlenen Kaffee, hausgemachte Pralinen und Kerzen anstellte. Für Phil erschienen diese Dinge einfach wie durch Zauberhand.
Ich sollte mich wohl inzwischen daran gewöhnt haben, dachte sie und legte den Löffel am Rand des Saucentopfs ab. Sie ging zum Kühlschrank und suchte dort nach den Gläschen mit Huhn für das Abendessen der Kinder.
Als sie frisch verheiratet und beide noch berufstätig waren, war die Verteilung der Hausarbeiten ihr heftigster Streitpunkt gewesen. Phil war zwar ohne weiteres damit einverstanden, dass sie sich beim Staubsaugen und dem Putzen der Badezimmer abwechseln sollten, doch schien immer wieder etwas dazwischenzukommen, wenn die Reihe an ihm war. Aber, so meinte er in vernünftigem Ton, was machte das schon aus? Es konnte ja auch bis nächste Woche warten (wenn zufälligerweise sie dran war). So wichtig war Hausarbeit schließlich auch wieder nicht.
Er hatte gelächelt, als er sah, wie sie herumflatterte und die Schrankfächer in ihrem ersten Häuschen, in dem sie noch zur Miete wohnten, mit braunem Papier auslegte.
»Du hast viel von meiner Mutter«, hatte er bemerkt und gemütlich nach der Fernbedienung gegriffen.
Was Isobel jedoch wirklich wahnsinnig gemacht hatte, war, dass Phil nie zu sehen schien, was sonst noch getan werden musste, wie den Kühlschrank säubern oder den Küchenfußboden wischen.
Als sie deswegen eine Bemerkung machte, hatte er,
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