Sushi und Kartoffelbrei Ticktack
wollte.
Vom großen Küchentisch aus, an dem sie saß, konnte sie Daisy, ihre dicke Apportierhündin mit dem goldenen Fell, sehen, die unter einem Busch herumschnüffelte, immer in der optimistischen Erwartung, dort etwas Fressbares zu finden. Dieselbe Einstellung brachte sie ihrem Futternapf entgegen, den sie beständig aufsuchte, falls er sich in ihrer Abwesenheit auf magische Weise aufgefüllt haben sollte.
Wie ich, dachte Isobel niedergeschlagen, ich bin auch andauernd auf der Suche nach was Essbarem, das ich mir gegen die tödliche Langeweile in den Mund stopfen könnte.
Aber war es wirklich so wichtig, ob ihre Hüften irgendeinem willkürlichen Schönheitsideal entsprachen? Ihre beiden Schwangerschaften hatten ihr gezeigt, dass ihr Körper zu weit mehr fähig war, als nur hübsch einen Bikini zur Schau zu stellen. Voll Erstaunen und Ehrfurcht hatte sie erfahren, dass der
Körper, den sie jahrelang als etwas Selbstverständliches hingenommen hatte, fähig war, ein anderes menschliches Wesen zu beherbergen und heranwachsen zu lassen. Dieses Wunder der Natur überwältigte sie noch immer. Sie wurde ganz sentimental, wenn sie Alex’ samtweiche Haut betrachtete oder sein ekstatisches Lächeln. Und es war einfach unglaublich, zu beobachten, mit welcher Geschwindigkeit und mentalen Kraft sie sich zu kleinen Einsteins entwickelten. Na ja, im Vergleich dazu erschien ihr ihre Sorge um ihre Figur fast lächerlich.
Im Übrigen, dachte Isobel trocken, brauchte sie sich um ihre Hüften und Schenkel keine Sorgen mehr zu machen. Sie musste nicht länger attraktiv auf Männer wirken, sie war eine verheiratete Frau. Ihr Problem bestand vielmehr darin, denselben Mann ein Leben lang attraktiv zu finden.
Mit leerem Blick starrte sie aus dem Fenster und dachte eine Zeit lang über dieses Problem nach. Bis dass der Tod euch scheidet. Sie liebte Ellen und Alex abgöttisch. Doch für den Rest ihres Lebens hieß es: dieses Haus, dieser Mann. Manchmal würde sie am liebsten schreien. Gestern Abend hatte sie gedacht, wenn Phil nicht endlich aufhörte, beim Essen so zu schlürfen, dann würde sie ihm eins mit dem Salatbesteck überziehen. Dann hatte er sich auch noch auf die Wohnzimmercouch gehockt und angefangen, dort seine Zehennägel zu schneiden. Als sie protestierte, hatte er sie verblüfft darauf hingewiesen, dass er schließlich sämtliche Nägel einsammeln würde, was wäre also das Problem? »Mein Problem«, hatte sie gezischt, »ist, dass du es dir ein wenig zu bequem in dieser Zweierbeziehung gemacht hast.« Er hatte sie angesehen, als würde sie aramäisch plappern, und nachsichtig versprochen, seine Nägel von nun an im Bad zu schneiden. Und sie war sich daraufhin natürlich vorgekommen wie ein Biest, weil sie sich überhaupt über so etwas Triviales wie Zehennägel Gedanken machte.
Isobel schenkte sich zerstreut noch einen Kaffee ein. Vielleicht hätte sie länger überlegen, verschiedene Jobs ausprobieren, mit verschiedenen Männern schlafen, in einer anderen Stadt leben, nach Istanbul gehen und sich den Sonnenaufgang ansehen sollen. Stattdessen hatte sie nun diese Küche, dieses Leben, und was am traurigsten war, sie konnte nicht einmal mit Phil darüber reden, der doch ihr bester Kamerad sein sollte. Sie wusste, dass er, wenn sie ihm von ihren Gefühlen erzählen würde, zutiefst verletzt wäre. Er schien mit ihrer ganzen Situation vollkommen zufrieden zu sein, während sie sich vorkam wie ein Zug, der immer im Kreis fuhr. Nun, vielleicht hatte sie zu viel »Thomas, die kleine Lokomotive« geschaut.
Sich mit den Händen mühsam hochstemmend, ging sie zum Vorratsschränkchen, um sich die Marstüte zu holen. Nur noch drei übrig, und wenn sie die jetzt verputzte, könnte sie die verdammte Packung endlich in den Müll werfen.
Wenn man Isobel vor zehn Jahren erzählt hätte, dass einmal ein Schokoriegel (oder drei) das High Light ihres Tages darstellen würde, sie hätte nur gelacht. Damals war sie noch erfüllt gewesen von Idealen, einer Berufung, einem Traum, den sie träumte, seit sie sechs Jahre alt war und eine Schwesterntracht zu Weihnachten geschenkt bekommen und gewusst hatte, dass es dies war, was sie einmal werden wollte: Krankenschwester. Später hatte sie dann nicht nur davon geträumt, Krankenschwester zu werden, sondern leitende Stationsschwester, die Hunderte von Leben in ihren fähigen (aber makellos gepflegten) Händen hielt. Sie würde Visiten machen, dabei kompetent, fröhlich und gütig aussehen.
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