Sushi und Kartoffelbrei Ticktack
eingezwängt zwischen all den anderen Arbeitsbienen, die am Ende eines langen Bürotags nach Hause eilten. Danach hatte Isobel dann einfach nicht mehr die Kraft, sich noch etwas zum Abendessen zu kochen. Für einen allein erschien es ihr kaum der Mühe wert. Stattdessen gewöhnte sie sich an, einfach eine Schüssel lasches Müsli in sich hineinzulöffeln, während sie sich im Fernsehen irgendwelche blöden Shows oder Serien ansah.
Jetzt war sie so hungrig, dass sie sogar nach einem der unappetitlichen Sandwiches langte, die auf einer Platte in der Mitte des Konferenztisches standen (Käse und Hähnchenbrust – der Colonel hielt nichts davon, die Belegschaft mit Gourmet-Schnittchen zu verwöhnen). Isobel fragte sich, was Ellie und Alex jetzt wohl gerade taten. Sie hoffte, dass Clare
auf Ellens schwache Brust Acht gab. Schon öfter hatte sie unter plötzlichen, Besorgnis erregenden Hustenanfällen und Atemnot gelitten …
Der forsche Auftritt des Colonels riss sie aus ihren Gedanken.
»Nun gut«, schnappte diese und nahm am Kopfende des Tisches Platz. »Umsatz der letzten Ausgabe. Resultat wie folgt: gar nicht mal so schlecht.«
Offenbar war das das Äußerste, was der Colonel in Bezug auf Umsatzzahlen preiszugeben bereit war. Für sie besaß dieses Thema denselben Stellenwert wie die Körperfunktionen – notwendig zwar, aber tabu, was Einzelheiten betraf. Der Gedanke, den Erfolg von Verve in Zahlen zu messen, missfiel dem Colonel. Sie zog es vor, das Magazin als Ikone zu betrachten.
Sie fuhr fort: »Ich denke, man könnte sagen, dass es keine schlechte Ausgabe war. Das größte Echo fand unser Artikel über ›Große Lebensveränderungen durch kleine kosmetische Schnitte‹. Meinen Glückwunsch an Clare, wo immer sie auch gerade sein mag.«
(An dieser Stelle konnte Isobel nicht umhin, vor Stolz zu strahlen. Sie nahm sich vor, Clare davon zu erzählen, wenn sie sie am Wochenende traf.)
Der Colonel setzte streng nach: »Aber eine neue Woche ist eine neue Woche. Also los geht die Runde, meine Lieben. Mal sehen, wie weit wir inzwischen sind.«
Die Mitarbeiter berichteten im Uhrzeigersinn, ordentlich einer nach dem anderen, von ihren derzeitigen Projekten. Isobel kaute währenddessen auf einem besonders schalen Käsesandwich herum und hörte sich dabei Entwürfe für Storys an: »Wie mache ich aus meinem Wohnzimmertisch eine Kunstgalerie«, »Fünfzig Wegweiser zu einem besseren Liebesleben«, »Mode für ein Wochenende auf dem Lande« (»Der Bauernlock«) und »Die tragische Wahrheit über die weibliche Beschneidung
in Drittweltländern« (der Colonel spielte mit dem Titel »Wie bitte – Wegschneiden?!«).
Isobel war entsetzt über die gleichgültige Art, in der hier über menschliche Tragödien gesprochen wurde, als wären sie lediglich ein Vehikel zur Auflagensteigerung. Es kam ihr vor, als würde sie durch ein Vergrößerungsglas in eine Welt gesogen, in der Sofabezüge, Scheidungen und Designerschuhe die gleiche Bedeutung hatten wie Monogamie, Babys und die Gleichstellung der Frau.
Was ihr ebenfalls großen Kummer bereitete war die Art, wie das Wort »absolut« das schlichte »Ja« ersetzt zu haben schien. »Aber absolut«, antworteten alle dem Colonel und nickten dabei heftig. Isobel erkannte, dass in der Zeit, die sie in ihrer Bungalow-Isolationszelle abgesessen hatte, selbst ihr Wortschatz veraltet war.
»Gut, gut, weiter, weiter«, murmelte der Colonel und rollte ihren Stift zwischen ihren winzigen, krallenähnlichen Händen. »Aber ein Problem gibt es noch. Fiona«, der Colonel richtete die volle Ladung ihres Laserblicks über die Länge des Tisches auf Fiona, »ich habe mir Ihren Entwurf der Story ›Kampf um die Brust – Triumph und Tragödie an der Frontlinie des Kriegs gegen die Natur‹ angesehen. Absolut unbrauchbar.«
Isobels Herz blutete für Fiona, die ausnahmsweise einmal nicht lächelte, sondern den Kopf über ihr Notizbuch gesenkt hielt.
»Sie liefern mir eine fade Story und erwarten von mir die große Aufmachung«, bellte der Colonel. »Herrgott noch mal, wenn wir schon eine Story über Brustoperationen machen, dann wollen wir auch sehen, was schief ging und was gut ging. Wir wollen über jede Narbe, jede Beule, jede verrutschte oder verpfuschte Brustwarze Bescheid wissen. Und wir wollen Bilder sehen. Volle, wunderschöne Brüste. ›Seht nur, was Doktor Zitterfinger aus meinen Brüsten gemacht hat‹ – Brüste!
Erzählen Sie mir keinen Unsinn über Schamhaftigkeit. Suzanne will
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