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Sushi und Kartoffelbrei Ticktack

Sushi und Kartoffelbrei Ticktack

Titel: Sushi und Kartoffelbrei Ticktack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freeman Jane
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KAPITEL
    Isobel zwängte sich so unauffällig wie möglich auf einen Stuhl am Ende des Tisches, so weit von Helen Hogan entfernt, wie es nur ging, ohne dabei gleich außerhalb des Raumes zu sitzen.
    Clare hatte ihr alles über diese Redaktionskonferenzen erzählt, und offen gesagt, sie hatte riesiges Muffensausen. Nicht, dass sie erwartete, ein Opfer des Colonels zu werden (außer, die Chefredakteurin hatte beschlossen, völlig neue Standards in der Kunst des Fotokopierens zu setzen). Aber durch ihr angeborenes Mitleid war ihr die Aussicht, Zeuge sein zu müssen, wie ein anderer Mensch in der Luft zerrissen wurde, ein wahrer Graus.
    Sie schenkte Will, der sich in diesem Augenblick neben sie setzte, ein schwaches Lächeln. Er war so lieb zu ihr gewesen, dachte sie, hatte ihr gezeigt, wo Papier und Stifte zu finden waren, und sich einmal sogar erboten, sie zum Lunch auszuführen. Während sie ihm eine Tasse Kaffee einschenkte, dachte sie noch einmal, was für ein netter Mann er doch war. Es war eine Schande, dass Clare kein Interesse an ihm hatte. Isobel hatte entschieden, dass er ein perfekter Vater wäre.
    Tatsächlich hätte Isobel diese Woche nie überstanden, wenn William und Fiona nicht gewesen wären. Der Gedanke war ausgesprochen fremdartig, dass sich so viele Leute jeden Tag mit einem Büroalltag herumschlagen mussten, mit dem Stoßverkehr, mit hauchdünnen Seidenstrümpfen und Schuhen mit hohen Absätzen. Und nach nur vier Tagen Neonlichtbestrahlung
hatte Isobel bereits das Gefühl, dass ihre Haut allmählich eine ungesunde gelbe Farbe annahm. Vielleicht gingen die Verve -Damen ja deshalb so großzügig mit ihrem Make-up um.
    Clares Leben gefiel ihr kein bisschen. Jeden Morgen um 5:45 Uhr weckte sie der Radiowecker mit plärrender Rockmusik, nur damit sie in klamme Gymnastiksachen schlüpfen und ins Fitness-Studio fahren konnte, für ein frühmorgendliches Workout. Das war effektiv Folter, dachte sie dann, während sie müde auf den Stepper eintrat. Und gut für die Gesundheit schon gar nicht. Das, was sie da tat, machten doch die Ratten im Labor, aber die hatten zumindest Elektroschocks zur Motivation.
    An ihrem ersten Morgen im Studio war ein Mann in den Dreißigern, dem die Haare schon auszufallen begannen, an sie herangetreten, als sie gerade beim Bankdrücken schnaufte, und hatte gesagt: »Herzlich Willkommen im Frühstücksclub!« Isobel hatte ihn bloß verständnislos angeblinzelt. Frühmorgens um sechs Uhr dreißig, wenn ihr Haar noch strubbelig und ihr Gesicht voller Kissenfalten war, konnte sie eine Unterhaltung am allerwenigsten brauchen. Und zu einem Club, der sich aus Menschen zusammensetzte, die noch vor dem Frühstück ins Fitness-Studio rannten, wollte sie nun wirklich nicht gehören.
    Nach dem Sport hieß es, sich mit der tagtäglichen schweren Entscheidung, was man nun anziehen sollte, herumzuschlagen, gefolgt von dem noch schwierigeren Bemühen, den ganzen Tag lang faltenfrei und kompetent auszusehen. Es war eine Schande, dass nicht schon längst jemand den Steh-Schreibtisch für die arbeitende Damenwelt erfunden hatte, dachte Isobel verdrießlich. Damit wäre es um etliches leichter, ununterbrochen so perfekt auszusehen wie die Models in den Katalogen. Andererseits müsste man dann aber auch den ganzen Tag in diesen Folterschuhen herumstehen …

    Selbst die Fahrt zur Arbeit war voller Mühen, dauernd diese voll gestopfte Tram, in der man schon über Stehplätze glücklich sein durfte. Heute Morgen hatte sie nach einem Blick in den makellos blauen Winterhimmel sehnsüchtig gedacht, wie viel lieber sie doch an diesem Tag mit den Kindern in den Park gefahren wäre oder in ihrem Garten herumgewirtschaftet hätte. Stattdessen musste sie den Tag in einem fensterlosen Großraumbüro verbringen.
    Sie war nun das »Mädchen für alles« hier im Büro. Das klang wie eine leichte Sache (»Schließlich bin ich eine Mutter – und ist die nicht der Inbegriff des ›Mädchens für alles‹?«, hatte sie leicht nervös gescherzt, während sie mit Fiona eine kurze Pause im Café verbrachte). Doch schon bald wurden ihr die endlosen Tage, in denen sie Papiere fotokopierte, Kuriere bestellte, Leserbriefe aussortierte (die mit den Unverschämtheiten warf sie weg, bevor sie der Colonel zu Gesicht bekam) und fünfmal pro Tag ins Café hinuntertrottete, um eine Runde extrastarken Diät-Cappuccino zu holen, todlangweilig.
    Und dann, um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, kam die Heimfahrt in der Trambahn,

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