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Suter, Martin

Suter, Martin

Titel: Suter, Martin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allmen und die Libellen
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eine der flachen ägyptischen Zigaretten an,
deren fremdartiger Duft Allmen schon beim Betreten der Sakristei aufgefallen
war.
    »Wie viel willst du dafür?«, erkundigte er sich
unvermittelt.
    »Du ...«, antwortete Allmen, »... ich habe den Preis von
damals nicht mehr im Kopf...«
    »Zwanzigtausend.« Tanner hatte keine Sekunde überlegt.
    Allmen hingegen brauchte etwas Zeit zum Nachdenken. »Mir
scheint«, sagte er schließlich, »das liegt etwas unter dem, was ich damals
bezahlt habe.«
    »Gut möglich. Aber bei dieser Kategorie von Sammlerstücken
zirkulieren immer wieder welche von zweifelhafter Herkunft. Es gibt nur eine
Handvoll passionierter Sammler, die so etwas kaufen, ohne Fragen zu stellen.«
    »Und wer die sind, ist vermutlich Berufsgeheimnis.«
    »Da vermutest du richtig.«
    Hätte er nur einen Moment gezögert, hätte Tanner sein
Angebot wohl ein wenig erhöht. Aber Feilschen lag so sehr unter Allmens Würde,
dass er sofort einlenkte. »Einverstanden«, sagte er, »es hilft mir über einen
kurzfristigen Liquiditätsengpass hinweg, sonst käme ein Verkauf natürlich überhaupt
nicht in Frage.«Tanner zog eine offenbar nach hinten offene
Schreibtischschublade weit heraus und griff tief in den Korpus. Sein Kopf
verschwand hinter dem Möbel. Allmen vernahm ein metallisches Schnappen und
Klicken, und nach einer Weile kam Tanner wieder zum Vorschein, schloss die
Schublade und zählte zwanzig Tausendernoten auf die Tischplatte.
    Allmen schob sie wie ein geübter Kartenspieler zu einem
Bündel zusammen und steckte es achtlos in die Brusttasche. Er stopfte das
Badetuch wieder in den Pilotenkoffer und ließ sich von Tanner zur Tür
begleiten.
    »Wenn du in deiner kleinen Sammlung noch mehr solcher
Libellen hast: Ich bin interessiert«, gab ihm dieser auf den Weg mit.
    Allmen hielt das nächste Taxi an. »Können Sie einen
Tausender wechseln?«, fragte er, als er es sich im Fond bequem gemacht hatte.
     
    Wie jedes Mal, wenn er wieder zu etwas Geld gekommen war,
machte Allmen seine Runde.
    Er bezahlte die Rechnung im Promenade, glich das Konto
beim Barmann in der Goldenbar aus, ging auf einen Kaffee ins Viennois und
bezahlte die offenen Posten und ein ehrfurchterregendes Trinkgeld an
Gianfranco. Er besuchte sein Blumengeschäft, seinen Coiffeur und seine
Buchhandlung. Das alles im Cadillac von Herrn Arnold, von dem er sich zum
Schluss auch nach Hause fahren ließ. Nachdem er auch dessen Ausstände beglichen
hatte, festigte er dessen Glauben in Allmens Kreditwürdigkeit mit einem mehr
als angemessenen Trinkgeld.
    Carlos führte säuberlich ein Haushaltsbuch, das er in
einer Küchenschublade aufbewahrte. Allmen konsultierte es und stellte fest,
dass er bei Carlos mit über viertausend Franken in der Kreide stand. Er legte
zwei Tausender zwischen die Seiten. Der ganze Betrag hätte seinen Saldo
gefährlich nahe an Dörigs Forderung gebracht.
    Allmen dachte nicht daran, ihn zu kontaktieren. Jetzt, wo
er das Geld hatte, konnte er ganz entspannt warten, bis Dörig sich meldete. Er
freute sich darauf, beiläufig in die Brusttasche zu greifen und ihm den Betrag
zuzustecken, ohne ihn eines Blickes zu würdigen.
    Den Rest des Nachmittags verbrachte Allmen lesend in
seiner gläsernen Bibliothek. Schwarze Wolken waren aufgezogen und zwangen ihn
früh, seine Leselampe anzuknipsen.
     
    In der Goldenbar herrschte die gedämpfte Betriebsamkeit
der Cocktailstunde. Allmen saß bei seiner zweiten Margarita und wartete auf den
Auftritt von »La Joehe«, wie er sie heute für sich nannte.
    Er saß wie gewohnt am hinteren Ende der Bar, dort, wo
meistens die drei älteren Einzelgänger das Gespräch mit dem Barmann suchten,
der dort seinen Zweier Rotwein deponiert hatte. Allmen kannte sie und wechselte
mit ihnen jeweils ein paar Belanglosigkeiten zwischen Kommen und Gehen.
    Einer hieß Kellermann, ein auf stilvolle Art verwahrloster
Alkoholiker, pensionierter Augenarzt, seit über zwanzig Jahren verwitwet.
    Der andere war Kunz, ein Anwalt mit einer Einmannkanzlei,
die ihre Anrufe meistens von einem rauschenden Anrufbeantworter entgegennehmen
ließ und die gleichzeitig als Honorarkonsulat der Republik Surinam firmierte.
    Beim Dritten handelte es sich um Biondi. Er besaß ein
Geschäft für Golfzubehör und gehörte zu Jack Tanners täglicher Frühstücksrunde
im Viennois.
    Mit seinem Mantel hatte Allmen den Barhocker neben sich
für Joehe besetzt. Kunz schien ihm das übelzunehmen, er sah immer wieder auf
den Mantel und dann zu

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