Suter, Martin
Einfahrten ohne Nummern vorbeigefahren, hatte Dachgiebel
hinter altem Baumbestand ausgemacht, Fahnen, Pappelalleen.
Aus einer Kurve kam ihm mit hoher Geschwindigkeit ein
Wagen mit aufgeblendeten Scheinwerfern entgegen. Allmen wollte ihn mit seiner
Lichthupe in die Schranken weisen, betätigte aber aus Versehen die
Scheibenreinigung. Das Wasser, das Reinigungsmittel und das Licht verwandelten
die Scheibe in eine gleißend weiße, undurchsichtige Fläche und zwangen ihn, auf
die Bremse zu treten. Es dauerte eine ganze Weile, bis er wieder normal sehen
und fahren konnte. Erst als er am Straßenrand im Licht seines Scheinwerfers
die Nummer 362 aufleuchten
sah, wurde ihm klar, dass er längst am Ziel vorbeigefahren war.
Bei der nächsten Möglichkeit wendete er. Fast im
Schritttempo fuhr er an den Anwesen entlang, unentwegt nach Hausnummern
suchend.
Endlich sah er die Nummer 327. Die nächste musste es sein.
Ein Scheinwerferpaar kam ihm entgegen und wurde
abgeblendet. Der Wagen blinkte und verschwand in der Hecke. Joelles
Mercedes-Limousine. Als Allmen an der Stelle vorbeifuhr, glitt gerade das
elektrische Tor zu.
Er fuhr ein Stück weiter, wendete in einer Einfahrt,
löschte die Lichter und wartete. Fünf Minuten, zehn, fünfzehn. Dann fuhr er
zurück und hielt vor 328b.
Jetzt ging alles schnell: Aussteigen, zur Hecke gehen,
den Frottiertuchbeutel aus den Zweigen ziehen, zurück ins Auto und ab.
Zweiter Teil
Allmen schlief noch, als Carlos ihm den Tee ..brachte. Das
war nichts Außergewöhnliches, denn es war fünf vor sieben, Carlos trat seine Arbeit
als Gärtner jeweils um sieben Uhr an.
Carlos kam aus Guatemala. Allmen hatte ihn kurz nach dem
Tod seines Vaters beim Besuch eines Freundes kennengelernt. Er wohnte bei
dessen Eltern in Antigua, in einer Kolonialvilla mit vielen zauberhaft
bepflanzten Patios. Eines Tages kam dieser propere, höfliche Gärtner und bat
ihn sehr gewunden, ihn in seine Heimat begleiten zu dürfen. Allmen hatte kurz
zuvor die Villa Schwarzacker erstanden und sich die Zeit bis zur Beendigung
der Renovierung mit einer Reise durch Mittel- und Südamerika vertrieben, auf deren
letzter Station er sich damals befand. Die Villa brauchte einen Gärtner, und
er sagte kurzentschlossen ja. Carlos besorgte sich einen Pass und begleitete
Allmen als Tourist. Wenn er sich bewährte, würde Allmen die Sache mit der
Aufenthaltsbewilligung regeln, lautete die Abmachung.
Carlos bewährte sich, aber die Sache mit der
Aufenthaltsbewilligung hatte Allmen unterschätzt. Nach drei Monaten sah er sich
gezwungen, seinen Gärtner zum Flughafen zu fahren und sich schweren Herzens
von ihm zu verabschieden. In drei Monaten würde er ihn wieder für weitere drei
Monate einfliegen lassen.
Wenige Stunden nach diesem Abschied stand Carlos wieder
vor dem Tor der Villa. Er war nicht geflogen. Und ab sofort illegal im Land. Er
wohnte im Gärtnerhaus bei Kost und Logis und bezog viertausend Franken im
Monat - von der Hälfte konnte seine vielköpfige Familie zu Hause komfortabel
leben.
Im Laufe der Zeit war Allmens finanzielle Situation immer
prekärer geworden, sein Personalbestand immer kleiner und dadurch das
Pflichtenheft von Carlos immer dicker. Zuletzt war er nicht mehr nur der
Gärtner, er kochte, servierte, bügelte, putzte, reparierte, improvisierte, log
für Allmen und wurde immer unentbehrlicher.
An jenem Abend, als er Carlos eröffnete, dass er die Villa
verkaufen, ins Gärtnerhaus ziehen und sich von ihm trennen müsse, nickte dieser
nur, sagte: »Muy bien, Don John« und zog
sich ins Gärtnerhaus zurück.
Aber am nächsten Morgen, als Allmen am Frühstückstisch
saß und Carlos ihm Kaffee nachschenkte, sagte er in seiner formellen Art: » Una
sugerencia, nada mas.«
Das hieß »eine Anregung, mehr nicht« und bedeutete das
Gegenteil. Carlos würde ihm einen sehr ausgereiften Plan unterbreiten, von dem
er nicht abzubringen sein würde. Diesmal lautete er: Allmen wird ihn als
Gärtner und Hauswart an den Käufer vermitteln, und er, Carlos, wird in die
Mansarden des Gärtnerhauses ziehen und weiterhin für Don John arbeiten.
Die Idee gefiel Allmen. Er könnte den unentbehrlichen
Carlos behalten, ohne die viertausend Franken im Monat bezahlen zu müssen, zu
denen er sich in finanziell unabhängigeren Zeiten hatte hinreißen lassen. Er
bezog den Betrag als Pauschale für Garten und Hauswartung in die Verhandlungen
um das Gärtnerhaus mit ein. Nach kurzem Widerstand war k , c, l&d Treuhand auch mit
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