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Suter, Martin

Suter, Martin

Titel: Suter, Martin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allmen und die Libellen
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vorbei. Das Licht in den Vitrinen ging an.
Auf dem kleinen Glastisch vor dem einsamen Ledersessel stand ein Aschenbecher
mit einem Zigarrenstummel und den drei fast gleich großen intakten Aschezylindern
eines sehr bedächtigen Rauchers.
    Allmen ging zu der Vitrine mit den Libellen. An der
Stelle, wo er die Schale weggenommen hatte, stand wieder eine.
    Wenn er es nicht besser gewusst hätte, hätte er
geschworen, es sei dieselbe.
    Aber da er es besser wusste, kam er zum Schluss, dass die
Schale, die er hatte mitgehen lassen, einfach kein Unikat war und Tanner ihm
deshalb einen so schlechten Preis bezahlt hatte.
    Er öffnete die Vitrine, nahm das Stück heraus und packte
es sorgfältig in ein Handtuch.
    So verfuhr er auch mit den anderen vier. Entgegen seiner
ursprünglichen Absicht. Aber wenn eine kein Unikat war, waren es die anderen
wohl auch nicht.
    Mit einem unförmigen schwarzen Frottiertuchballen unter
dem Arm ging er leise die Treppe hinunter. Die Halle roch noch nach den
Gästen, die vor einer guten Stunde das Haus verlassen hatten. Parfüms, Nikotin
und die Ausdünstungen eines langen Abends.
    Die Tür konnte nur von innen geöffnet werden. Allmen
sicherte sie mit einem Kleiderbügel, damit sie nicht zufallen und ihn
aussperren konnte.
    Die Einfahrt lag vor ihm, hell vom Mond beschienen. Er
wählte einen Umweg und ging an der Fassade entlang bis zur Hausecke und von
dort aus im Schutz der Bäume bis zur Hecke und an dieser entlang bis zum Tor.
Dort verstaute er seine Beute an derselben Stelle der Thujahecke wie beim
ersten Mal.
    Er ging denselben Weg zurück ins Haus. Als er im Korridor
des ersten Stockwerks ankam, glaubte er, Schritte zu hören. Aber als er das
Schlafzimmer betrat, lag Joelle noch so da, wie er sie verlassen hatte.
    Er zog sich leise aus und schlüpfte unter die Decke.
Jetzt erst merkte er, dass er zitterte. Er schrieb es der kalten Herbstnacht
zu.
     
    Das Wimmern eines Staubsaugers weckte ihn. Für einen
Moment glaubte er, er sei in einem Hotel.
    Doch dann erinnerte er sich an die vergangene Nacht. Das
exaltierte Restaurant, die extravaganten Weine, die exorbitante Rechnung. Und
die Dummheit, die bodenlose Dummheit, die er begangen hatte.
    Er presste die Handflächen auf die Augen, als könnte er
dadurch das Geschehene rückgängig machen. Welcher Teufel hatte ihn geritten,
gleich alle fünf Schalen zu klauen? Ganz offensichtlich war seit seinem letzten
Besuch jemand im Raum gewesen und hatte in aller Ruhe eine Zigarre geraucht.
Weshalb um Himmels willen hatte ihn diese Erkenntnis nicht davon abgehalten,
einen solchen Mist zu bauen? Der Alkohol. Es musste an dem sündhaft teuren
Alkohol gelegen haben. Er war nur im Vergleich zu Joelle einigermaßen nüchtern
gewesen. Im Vergleich zu seinen eigenen Trinkgewohnheiten hatte er weit über
dem Limit gelegen.
    Meistens gelang es Allmen, vor unangenehmen Tatsachen so
lange die Augen zu verschließen, bis sie aus seinem Bewusstsein verschwanden.
Nicht für immer, aber lange genug, um ihm Zeit zu geben, es mit angenehmen
Tatsachen zu möblieren. Aber diesmal gelang es ihm nicht. Er musste die zweitbeste
Methode anwenden: Augen auf und Betriebsamkeit. An nichts anderes denken als
zum Beispiel: Jetzt schlage ich die Bettdecke zurück, jetzt drehe ich mich auf
die Seite, jetzt stelle ich den linken Fuß auf den Boden, jetzt richte ich mich
auf, während ich den rechten Fuß auf den Boden stelle, jetzt sitze ich auf dem
Bettrand.
    Er öffnete die Augen. Der Streifen Mondlicht auf dem Teppich
hatte jetzt einem grellen Band aus Sonne Platz gemacht. Das perlmuttfarbene
Boudoir der Nacht hatte sich in ein ernüchternd geschmacklos eingerichtetes
Schlafzimmer verwandelt.
    Die immer noch schlafende Joelle hatte eine ähnliche
Verwandlung durchgemacht. Ihr Gesicht war etwas gedunsen, da und dort glänzten Überreste
einer dick aufgetragenen Nachtcreme, und auf der Unterlippe zeichnete sich eine
feine Rotweinkruste ab, die dem Abschminken standgehalten hatte.
    Allmen stand auf und ging ins Bad. Er fand in einem
Schränkchen Bade- und Handtücher und nahm mehr heraus als nötig. Er duschte und
verteilte einen Teil der Tücher im Bad, damit das Fehlen der anderen, die in
der Thujahecke lagen, nicht auffiel.
    Er rasierte sich mit dem Damenrasierer, den er in einem
Spiegelschränkchen fand, und zog sich an.
    Joelle schlief immer noch, als er ins Zimmer zurükkam. Er
hatte keine andere Wahl, er musste warten, bis sie aufwachte. Er brauchte sie
als Zeugin, dass er

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