Suzannah und der Bodyguard
Verlaub, ich denke, wir können gar nichts tun. Außerdem sollte in wenigen Minuten der Notarzt eintreffen.“
„Und auch die Verstärkung, vermute ich?“
„Klar.“
„Das ist das dritte Mal in einer Woche, dass ihr Jungs bei mir auftaucht.“ Sie lächelte. Ein schwaches, trauriges Lächeln, doch immerhin ein Lächeln. „Das vierte Mal in einem Monat, wenn man die Nacht mitzählt, in der mein Wagen abgefackelt wurde. In den Vorgärten meiner Nachbarn werden die ‚Zu-verkaufen’-Schilder wie Löwenzahn aus dem Rasen sprießen.“
„Ich würde ja lachen, aber ich bin noch damit beschäftigt, mein Zittern zu unterdrücken.“ Er atmete tief aus, und es klang genauso zittrig, wie er sich fühlte. „Mein Gott, wenn ich auch nur etwas später dran gewesen wäre …“ Er ließ die Worte ausklingen und sank auf einen Stuhl.
Suzannah blieb stehen. Zwar zitterten auch ihr noch die Beine, doch sie brachte es noch nicht wieder über sich, auf einem dieser Stühle Platz zu nehmen.
„Nicht, dass ich mich über das Timing beschweren wollte oder so etwas, aber warum bist du eigentlich zurückgekommen?“, fragte sie. „Ich hätte nicht gedacht … ich meine, nach allem, was ich gesagt habe …“
„An Manns Händen war keine Verletzung zu sehen. Wäre wirklich er es gewesen, den du mit deinem teuren Cross-Kugelschreiber verletzt hast, die Wunde hätte unmöglich jetzt schon verheilt sein können. Da ist bei mir der Groschen gefallen – es waren zwei, nicht nur einer mit gespaltener Persönlichkeit. Der eine nur ein harmloser Verehrer, der andere dein teuflischer Stalker. Wo wir gerade von ihm sprechen, wer ist er überhaupt?“
„Ein ehemaliger Mandant und sozusagen ein gemeinsamer Bekannter, Remy Rosneau.“
„Rosneau?“ Eine leichte Ungläubigkeit lag in seiner Stimme. „Der Kerl, den ich verhaftet habe, weil er sich an das Mädchen herangemacht hatte?“
Sie nickte, massierte dabei ihre Schläfen. „Seine Cousine.“
Sein Blick fiel auf Rosneaus ebenmäßiges, jetzt schlaffes Gesicht. „Sieht nicht wirklich aus wie der Kerl, an den ich mich erinnere.“
Sie biss sich auf die Lippe, um das hysterische Lachen zu unterdrücken, das in ihr aufstieg. „Das ist eine lange Geschichte.“
„Aber bei dieser Anklage wegen sexuellem Missbrauch hast du für ihn doch einen Freispruch erzielt. Zumindest im Berufungsverfahren.“
„Genau das war das Problem …“
John legte den Kopf zur Seite und hielt eine Hand hoch. „Die Verstärkung ist da.“
Ihre Augenbrauen gingen nach oben. „Ich habe gar keine Sirenen gehört.“
„Ich wollte nicht, dass sie hier durch die Tür poltern, sollte unser Freund Remy noch nicht überwältigt sein.“
Er stand auf. „Bleib hier. Ich habe die Vordertür offen gelassen, aber die Jungs werden vermutlich kein herzliches Willkommen erwarten.“
Suzannah stützte sich schwer auf dem Tisch ab. An ihrem Gasherd brannte immer noch eine blaue Flamme, um die herum fünf Messer lagen, fächerförmig ausgebreitet. In der Luft lag noch der Geruch von überhitztem Metall und Kordit und Tod, während sich Remy Rosneaus Blut langsam in den Fugen zwischen den Fliesen sammelte.
Aber jetzt war es vorbei. Es war endlich vorbei.
***
Quigg gab seinem Sergeanten schnell einen präzisen und umfassenden Bericht. Dabei konnte er nicht umhin, Suzannahs Schilderung der Ereignisse mitzubekommen, die sie Ray Morgan gegenüber zu Protokoll gab, der nur wenige Minuten nach dem ersten Streifenwagen aufgetaucht war. Profi, der sie war, benötigte sie nur wenige Worte für ihre genaue Beschreibung des Hergangs.
An den Grimassen, die die Männer zogen, als sie Rosneaus Selbstkastration erwähnte, konnte er sehen, dass offenbar auch die übrigen Anwesenden mit mehr als nur einem halben Ohr lauschten. Falls Sie beabsichtigt hatte, dass sich bei jedem Mann im Raum angesichts der bloßen Vorstellung alles verkrampfte, hätte sie das kaum wirkungsvoller tun können.
Der Typ war dermaßen durchgeknallt. Erst hatte er auf nicht schuldig plädiert, ihr vorgeheult, wie harmlos er doch sei. Dann hatte er sie dafür verantwortlich gemacht, dass sie ihn vor dem Gefängnis bewahrt hatte. Hatte ihr die Schuld an allem gegeben. Dafür, dass sie hinter seinen Lügen nicht seine wahre Natur erkannt hatte. Dafür, dass sie den Prozess nicht verloren hatte. Dafür, dass er erneut ein Mädchen missbraucht hatte. Für seine Selbstverstümmelung. Und schließlich dafür, dass sein Hantieren mit dem Fleischermesser
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