Svantevit - historischer Roman (German Edition)
gestikulierend wie ein Italiener. Er blickte seinen nächsten Tischgenossen dabei tief in die Augen und stellte ein Bedauern zur Schau, dass hier niemand, der ihn auch nur annähernd kannte, für bare Münze nahm. Dazu waren seine Launen zu berüchtigt und die Loyalität, die er einforderte, besaß er persönlich überhaupt nicht. Er war sich seiner Hoheit über andere Menschen allerdings mit solch einer Selbstverständlichkeit versichert, dass ihm derartige Widersprüche nicht auffielen.
"Von den geistlichen Herren sind der Erzbischof von Magdeburg und der Bischof von Hildesheim bei Albrechts Partei."
"Wichmann und Hermann, na, das konnte ich mir denken! Schon die Investitur des Magdeburgers vor zwölf Jahren war gegen meinen Willen erfolgt; ich habe mich meinem Vetter damals gebeugt. Nichtsdestotrotz habe ich Recht behalten, als ich Schwierigkeiten mit diesem Mann vorausahnte! Standen wir erst noch in gutem Einvernehmen, so hat er sich nach und nach der Interessen meiner Gegner angenommen; immer mit einer Unschuldsmine, wenn ich ihn darauf hinwies. Na, dieses Katz-und-Maus-Spiel ist damit jedenfalls vorbei, ein Kampf mit offenem Visier ist da mehr nach meinem Geschmack! Und bei Hermann ist die Sache ja schon längst klar, es geht dabei um die Winzenburger Erbschaft und um eines der Grundübel der Menschheit, das der Seelenhirte da zeigt; er missgönnt und neidet mir, was er gerne selbst besäße. Warum nur sind von Gottes Schöpfung selbst die, welche sich ihm zu dienen verpflichtet haben, von einer derartigen Verdorbenheit?"
Der Herzog schaute mit schlecht gespielter Betroffenheit auf Berno, den Bischof von Schwerin, der neben dem Hessen saß, um Neuigkeiten zu erfahren, schließlich war sein Heimatkloster einst von Siegfried von der Boyneburg gegründet worden und so fühlte er sich dieser Gegend freundschaftlich verbunden. Schon sein Gesicht zeugte von einer leidensbereiten, bedingungslosen Frömmigkeit und Gottesfurcht, die wenig dazu angetan waren, sein Gegenüber für ihn einzunehmen. Die Mitte seines hohen, mageren Gesichts zierte eine lange, extrem schmale Nase, die links und rechts, unmittelbar neben der Wurzel, von zwei eng stehenden und tief liegenden Augen eingerahmt wurde. Erst die einsetzende Ruhe machte ihn darauf aufmerksam, dass Heinrich das Wort an ihn gerichtet hatte; er hing, wie so oft, seinen eigenen Gedanken nach, nichts liebte er mehr, als selbst die banalsten Grübeleien bis zur ekstatischen Entrückung zu steigern. So war es ihm auch nicht peinlich, als er merkte, dass alle die Antwort auf eine Frage erwartete, derer er sich erst durch längeres Nachsinnen bewusst wurde. Die kurz eintretende Pause überbrückte er durch den Ausdruck der geistigen Versenkung, den er so oft geübt hatte und den er sich als Teil der Legende vorstellte, die man sich von ihm, dem Missionar der Obodriten, nach seinem Tod erzählen würde; auch wenn er hoffte, dass es bis dahin noch ein Weilchen dauern würde; nicht wegen seiner selbst natürlich, sondern wegen all der Seelen, welche ohne die durch ihn wirkende Gnade Gottes verloren wären.
"Richtet nicht, auf das ihr nicht gerichtet werdet!", sprach er schließlich, die allen geläufigen und eigentlich simplen Worte unnötig theatralisch.
Die Ellenbogen auf den Tisch gestützt, legte er dabei die Hände vor seiner Brust aneinander, wobei nicht klar wurde, ob er dem Gesagten durch Gebetshaltung noch mehr Nachdruck verleihen, oder bloß durch Reibung das geronnene Fett des Bratens von seinen Fingern entfernen wollte.
"Es genügt eben nicht, in die Kirche, in Gottes Haus, zu gehen und zu bitten, nicht in Versuchung geführt zu werden! Wenn es denn Gott gefällt, jemanden zu versuchen, so muss derjenige derselben auch widerstehen! Wie soll der Herr, selbst bei seiner Allmacht, sonst die guten Schafe von den schwarzen trennen? Ihn anzubeten ist leicht, besonders, wenn man auf einen Vorteil dadurch hofft, sich ihm jedoch ganz zu unterwerfen, das Schicksal vollständig in seine Hände zu legen, die Gegner nicht . . ."
"Ich bitte euch Bischof! Ich habe nicht um eine Predigt gebeten!", erwiderte der Sachsenfürst freundlich und sichtlich amüsiert.
Er selbst hatte Berno in Mecklenburg investiert und sich damit derselben Demut und Gehorsamkeit versichert, die der Bischof im Diesseits normalerweise nur dem Papst gegenüber empfand. Dem derzeitigen musste er die Anerkennung offiziell verweigern, da jener, obwohl er der Kanzler des seligen Hadrian war, der Berno
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