Svantevit - historischer Roman (German Edition)
entziffern."
"So, so, ihr seid des Lesens kundig?"
Der Herzog drehte sich interessiert wieder vollständig zur Tafel um und musterte Christian eine Zeit lang, die von den anderen Anwesenden mit flüsterndem Geraune untermalt wurde und ihm wie eine Ewigkeit vorkam.
"Der junge Graf vom Freien Berg, wenn ich mich nicht irre?"
Christian, der wenig Lust verspürte, seinen zukünftigen Lehnsherrn darauf aufmerksam zu machen, dass er sich ihm doch erst eben, vor Beginn des Banketts vorgestellt hatte, sagte nur: "Ihr irrt nicht Hoheit, ich bin Christian, mein Vater ist Hugo vom Freien Berg."
"Ah, Graf Hugo" sprach Heinrich, während er sich nachdenklich mit der Rechten am Kinn kratzte und mit der Linken beiläufig den Truchsess wieder verscheuchte, den sein Klatschen herbeigerufen hatte. Er blickte Christian forschend an.
"Da war doch aber noch jemand … von eurer Sippe meine ich … Graf Hugo ist doch schon lange …"
"Ihr meint sicherlich meinen Bruder Arnulf. Er kam seinerzeit im Kampf zu Tode."
Heinrich sagte kurz: "Ja. Das ist lange her. Ich entsinne mich dunkel, dass da irgendetwas war, im Zusammenhang mit eurer Familie. Aber, wie schon gesagt, es ist lange her, alte Geschichten."
Damit hatte er das Interesse daran offensichtlich erst einmal verloren.
"Jetzt aber zu den Namen, die Zukunft ist noch kein geschriebenes Buch, daran können wir noch etwas ändern!"
Christian nahm den Zettel zur Hand und las den ersten Namen, der darauf stand.
"Adalbert von Sommerschenburg"
"Sieh an, der sächsische Pfalzgraf, der Paladin des Kaisers. Hat er, der sich sonst immer um Neutralität und Ausgleich bemühte, sich zu guter Letzt doch noch für eine Seite entschieden! Leider zu meinem Verdruss, aber das wird nicht so bleiben, der kommt schon wieder zur Vernunft, da bin ich ganz sicher!"
Er gab Christian ein Zeichen.
"Otto von Assel", nannte der den nächsten Abtrünnigen, sich bewusst, dass der Herzog sie hier einzeln, wie vor Gericht und unter den Augen und Ohren seiner Treuen, brandmarken wollte.
"Das hätte mich auch sehr gewundert, wenn der nicht dabei wäre. Er fühlt sich immer noch um die Erbschaft seines Onkels betrogen, dabei war in der Sache von ihm nie die Rede gewesen. Es hieß Albrecht oder ich, und ich habe die Angelegenheit zu meinen Gunsten entschieden. Dass er mir das übel nimmt, kann ich ja noch verstehen, wenn er aber glaubt, Albrecht würde, falls er Sachsen wieder in seine Klauen bekäme, einfach so darauf verzichten, dann ist er einer der größten Narren, die auf Erden wandeln!"
Allgemeines Gelächter erhob sich. Genau das war es, was der Herzog wollte, seine Gegner zu Außenseitern, zu Ausgestoßenen degradieren und so die Front gegen sie stärken. Er machte sich nichts vor, der Eine oder Andere, der hier einträchtig mit ihm speiste, würde, wenn er wieder zu Hause in seiner Mark oder Grafschaft war, die Sache für sich noch einmal überdenken. Wenn es dem askanischen Bären gelingen sollte, noch mehr von Sachsens Adel an sich zu binden, so könnten einige ihre Position ändern und ihr Glück bei seinen Feinden suchen, über seine Beliebtheit und der daraus folgenden Bedingungslosigkeit der Gefolgschaft, machte er sich keine Illusionen.
"Christian von Oldenburg."
"Der Oldenburger also auch, fühlt sich wohl sicher, da oben an der Grenze zu Friesland, zwischen Marsch und Geest, dass er hinter meinem Rücken agiert!"
Man merkte jetzt deutlich, wie die Wut in ihm stieg. Er nahm hastig einen Schluck Wein und schlug mit dem Becher so heftig auf den Tisch, dass sich der Rote auf das Eichenholz ergoss.
"Wenn er auch nur einen Streich gegen mich führt, dann sollte er lieber nicht auf Gnade hoffen, dann zerquetsche ich ihn wie eine Wanze!"
Beide Hände zornig vor sich auf dem Tisch zur Faust geballt, blickte er ungeduldig zu Christian.
"Der letzte Name ist Widukind von Schwalenberg."
"Was?!", schrie der Herzog und sprang auf. Sein schwerer Stuhl fiel polternd hinter ihm zu Boden.
"Hat dieser Abschaum etwa schon vergessen, was ich für ihn getan habe? Letztendlich verdankt er mir sein erbärmliches Leben! Ich hätte ihn hängen lassen können, wie einen gemeinen Strauchdieb!"
Heinrich tobte jetzt. Er warf seinen tönernen Trinkbecher gegen die Zeltwand. Der zersprang natürlich nicht, wie gewollt, sondern rollte an dem Tuch herab und kullerte, leise in die plötzlich eingetretene Stille scheppernd, über den Sandboden.
"Ein niederträchtiger Mörder ist das, für den ich mich nie hätte
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