Svantevit - historischer Roman (German Edition)
guter Platz in den vorderen Reihen sicher."
"Die Gardisten in ihren blauen Gewändern haben mich schon als kleiner Junge derart fasziniert, dass ich unbedingt später einmal zu ihnen gehören wollte. Doch welcher junge Bursche würde dies nicht gern? Letztlich ist es wohl auch Zufall, dass ich es nun soweit geschafft habe."
"Ich glaube, du untertreibst", sagte Granza, nachdem er eine Weile geschwiegen hatte, "Erzähl mir nicht, dass du als einfacher Fischer ohne weiteres in die Tempelgarde aufgenommen wirst."
"Nun ja, ich muss gestehen, ein Bruder meiner Mutter, mein Onkel also, arbeitet in den Ställen der Burg. Auf den ersten Blick keine herausragende Position. Er ist dennoch ein sehr geachteter und angesehener Mann."
"Sieh an. Und du behauptest, niemand habe dir die Steigbügel gehalten."
"Nun, ganz ohnedem scheint es wohl nicht zu gelingen", gab Radik zu, "Aber letztlich glaube ich doch, dass meine Fähigkeiten den Ausschlag zu dieser Entscheidung gegeben haben."
"Welche sind das?"
"Ich verstehe einiges von Pferden und bin kein schlechter Reiter. Dies habe ich wohl von meinem Onkel geerbt, auch wenn ich mich zu Anfang etwas schwer getan habe. Mir ist sogar einmal eine Stute durchgegangen, nur um sich sogleich den Hals zu brechen. Das war gar nicht spaßig. Aber mit meinem Hengst hatte ich noch keine Probleme."
"Du besitzt dein eigenes Pferd?"
"Das habe ich auch selbst aufgezogen! Alle hatten das trächtige Muttertier bereits aufgegeben, doch ich habe es wenigstens bis zur Geburt des Fohlens am Leben halten können. Dies hat sich in der Burg herumgesprochen. Ausgerechnet beim Vater von Nipud habe ich so einige Sympathien gewonnen und letztlich ist er wohl auch mein Fürsprecher geworden."
"Verstehst du dich nicht mit Nipud?", fragte Granza.
"Das wäre leicht untertrieben. Er ist ein übler Bursche, dem man nicht über den Weg trauen kann. Ich hatte schon manche Auseinandersetzung mit ihm und befürchte, mir steht noch einiges bevor. Einmal hat er mit dem Bogen auf mich geschossen und mit dem Pfeil schwer verletzt. Ich hatte gerade den Arm gehoben, sonst hätte er direkt in den Hals getroffen."
"Er hat versucht dich zu töten? Das hat man ihm einfach so durchgehen lassen?", wollte Granza erstaunt wissen.
"Ganz so einfach lag die Sache nicht. Ich war gerade dabei, einen Wolf mit der Lanze zu erlegen. Daher konnte Nipud hinterher behaupten, er habe das Tier treffen wollen."
"Einen Wolf?"
"Eine ziemlich große Bestie zudem. Ich war so unvorsichtig, oder besser so dumm, von meinem Pferd zu steigen. Aber es ist dann ja zum Glück alles gut gegangen. Bis auf den Pfeil von Nipud eben", erklärte Radik.
"Ich kenne Wölfe nur aus Erzählungen, bin selbst noch keinem begegnet. Aber man sagt, dies seien die gefährlichsten Raubtiere überhaupt."
"Oh, das würde ich nicht unbedingt behaupten. In Polen habe ich den Angriff eines Wisents erlebt und glaube mir, dies war nicht weniger bedrohlich."
Granza richtete sich auf seiner Bank auf und sah zu Radik hinüber.
"Vielleicht weißt du nicht, was ein Wisent ist?", fragte Radik, um sogleich mit der Erklärung fortzufahren, "Stell dir ein Rind vor, nur größer und kräftiger, mit einem mächtigen Kopf und dichtem braunen Fell. Der Bulle ist mit gesenktem Haupt in einen Karren gelaufen und hat diesen zerlegt, als wäre es ein loser Stapel Bretter."
"Du warst in Polen?"
"Ja. Das ist eine längere Geschichte. Ich habe einen Kaufmann aus einem Sumpfloch befreit, in welches er geraten war. Dafür versprach er, mir einen Wunsch zu erfüllen und so bat ich ihn, mich auf die Handelsreise mitzunehmen. Zuerst hat er sich etwas gesträubt, aber als ich ihm vorführte, dass ich das Rechnen beherrsche und zudem lesen und schreiben kann, ging er darauf ein."
"Jetzt spinnst du aber!", wandte Granza ein.
"Keineswegs! Auf der Reise habe ich übrigens auch Bären gesehen, allerdings nur hinter Gittern, als ich auf Einladung eines Markgrafen in dessen Burg weilte. Diese zotteligen Ungetüme sind noch furchterregender als ein Wolf."
"Bei einem Markgrafen? So, so! Na, einem solch bedeutenden Mann, wie du es vorgibst zu sein, durfte die Tempelgarde natürlich nicht verschlossen bleiben."
Der Tonfall war spöttisch. Granza hatte diesen fremden Burschen von Anfang an sympathisch gefunden, weil er einen klugen Eindruck machte, doch nun stellte sich heraus, dass dies ein ganz fürchterlicher Aufschneider war, der ihn anscheinend für dumm verkaufen wollte. Ohne ein
Weitere Kostenlose Bücher