Svantevit - historischer Roman (German Edition)
schafft."
"So soll es sein. Aber dir bringe ich noch ein Stück mit."
Der angesprochene Ivod lag gegen einen Strohballen gelehnt auf der Erde und konnte anscheinend nicht einmal mehr sprechen, sondern wehrte den Vorschlag des Vaters nur mit einer schwachen Handbewegung ab.
"Bringst du mir einen Hirsch mit?", fragte Rusawa, die sich ständig etwas zu essen holte oder mitbringen ließ, dann einen kleinen Happen probierte und es an die anderen Familienmitglieder weitergab.
"Ja, meine Kleine", antwortete der Vater, nahm einen Schluck Met aus einem Krug und eilte mit großen Schritten zum sich in einiger Entfernung drehenden Hirschspieß.
Einige Zeit später verwandelte sich die Sonne bereits in einen roten Feuerball und schien auch den sie umgebenden Himmel in Brand zu stecken. Ferok saß nun neben Radik. Beide hatten sich, nachdem sie aus der Burg gelangt waren, fest vorgenommen, nur kurz bei ihren Familien zum Essen vorbeizuschauen und sich dann wieder zu treffen. Das Mahl zog sich allerdings unerwartet in die Länge und anschließend war man froh, ruhig sitzen bleiben zu können.
Radiks Vater, der sich noch immer ab und zu langsam etwas vom Braten nahm, jetzt aber mehr dem Met zusprach, hielt Ferok ein Stück Hirschkeule hin.
"Das solltest du mal probieren. Radik hat dieses vorzügliche Fleisch ausgeschlagen. Er wollte lieber Salzheringe, aber die gibt es ja heute nicht."
Ferok guckte etwas verwundert und Radik schüttelte den Kopf.
"Aber ich habe einen ganzen Hirsch gegessen. Und so einen langen Aal." Rusawa riss die Arme auseinander.
"Und wie viele Krüge Met hast du schon getrunken?", fragte Ferok zurück, aber Rusawa, die sich gerade im Spiel mit anderen Kindern befand und nur kurz stehen geblieben war, rannte schon wieder weiter.
Auch Radik und Ferok erhoben sich jetzt. Noch vor einem Jahr hätten sie sich bedenkenlos am Spiel der anderen Kinder ihres Dorfes beteiligt, aber inzwischen fühlten sie sich etwas zu alt dazu. Nachdem sie deren ausgelassenes Treiben eine Weile beobachtet hatten, gesellten sie sich aber schließlich doch hinzu.
Die Kinder spielten eine Art Fangspiel. Einer erklärte sich zum weißen Pferd und musste dann von den anderen gefangen werden. Da die Kinder unterschiedlichen Alters waren, wurde den kleineren unter ihnen natürlich ein entsprechend großer Vorsprung gewährt. Das Einfangen geschah nicht mit bloßen Händen, sondern mittels eines Netzes. Man nahm dazu ein altes Reusennetz, und es war oberstes Gebot, das "Pferd" nicht zu berühren, denn immerhin war es heilig und damit unantastbar.
Es waren gut zwei Dutzend Kinder zusammen, die sich alle aus dem Dorf kannten.
Radik nahm das Netz, gab Ferok ein Zeichen, am anderen Ende anzufassen, und sagte zu Rusawa: "Du bist das weiße Pferd. Wir geben dir einen Vorsprung bis zu dem Busch dort drüben."
Er wies mit der Hand vor sich.
"Ihr kriegt mich nicht! Ihr kriegt mich nicht!", begann seine Schwester sofort zu rufen und rannte los.
Radik wunderte sich, dass die Kleine noch kein bisschen müde erschien, obwohl sie schon den ganzen Tag auf den Beinen war und die letzten Sonnenstrahlen gleich verschwinden würden. Schließlich trabten Radik und Ferok hinterher, umgeben von den anderen Kindern, die die Treiber spielten, aber, da diese sie nicht halten durften, konnte Rusawa ihnen in aller Ruhe ausweichen.
Die beiden Jungen holten ihr "Opfer" schnell ein, ließen es natürlich noch ein paar Mal entkommen, um schließlich das Netz um sie zu wickeln. Dann zogen sie das Netz straff, indem jeder zwei Schritte zurück trat und Rusawa schaukelte gemütlich darin und lachte.
"So ein faules Pferd habe ich ja noch nie gesehen", meinte Radik.
"Es taugt wohl nur für den Kochtopf", ergänzte Ferok.
"Das könnte euch so passen!", Rusawa sprang vorsichtig auf, "Jetzt bist du das Pferd, Radik!"
Eigentlich hatte Radik gar keine Lust dazu, aber er wollte seiner Schwester den Wunsch nicht abschlagen.
"Wie viel Vorsprung bekomme ich?"
"Gar keinen! Lauf los!", rief Rusawa und schlug ihm leicht aufs Hinterteil.
Rusawa packte das Netz und das andere Ende nahm ein Mädchen mit blonden Zöpfen, welches Zasara hieß und ein Jahr jünger war als Radik. Beide kannten sich recht gut, denn im Dorf bewohnte sie mit ihrer Familie das Haus genau gegenüber.
Immer wenn das Netz in gefährliche Nähe kam, schlug Radik schnell einen Haken, ansonsten bewegte er sich eher im langsamen Trab. Es wäre ihm ein leichtes gewesen wegzulaufen. Aber das fand er
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