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Svantevit - historischer Roman (German Edition)

Svantevit - historischer Roman (German Edition)

Titel: Svantevit - historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai M. Jakobi
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unter dessen Kinn drückte, und schlug ihm mit der rechten Faust sofort mehrmals in die Rippen. Der Angriff kam völlig überraschend, denn immerhin war Radik fast einen Kopf größer als dieser Bursche und außerdem waren sie ja zu zweit. Feige konnte man den wirklich nicht schimpfen. Ferok stand wie gelähmt in der Mitte des Raumes und wusste nicht, ob er zuerst Radik helfen oder lieber nachsehen sollte, ob sich Soldaten näherten.
    Nachdem Radik sich besonnen hatte, hielt er zunächst den linken Arm seines Gegners fest und löste dann die Umklammerung. Mit aller Kraft schleuderte er den Jungen, nunmehr voller Wut, in die Ecke, wo dieser hart gegen die Bank prallte. Ohne sich weiter um ihn zu kümmern, wandte sich Radik ab und machte Ferok ein Zeichen, sofort zu verschwinden. Beide stürmten durch die Tür auf den Gang und sprangen hinunter. Dort wäre Ferok beinahe auf dem Fass gelandet, das ihnen so hilfreich als Stufe gedient hatte. Dieses Fass hatte sie wahrscheinlich verraten, schoss es Radik durch den Kopf, der sich immer noch wunderte, warum der Junge plötzlich so zielstrebig den Raum betreten hatte. Das war also auch kein Dummkopf und Radik ahnte, dass diese Sache noch weiteren Ärger nach sich ziehen würde.
    Bevor die Soldaten auf dem Gang überhaupt reagieren konnten, waren Radik und Ferok, die jetzt so schnell wie möglich die Burg verlassen wollten, in der Menge untergetaucht.
     
    Die Menschen der großen Insel, deren Alltag von täglicher harter Arbeit geprägt war, schienen heute alle ihre Pflichten vergessen zu haben. Die Bauern waren nicht auf ihren Feldern, die Fischer ließen ihre Boote am Strand. Und doch waren die Dörfer verwaist. Denn alle waren vor der Burg versammelt und feierten dort, wie seit Jahrhunderten an diesem Tag im Jahr, die abgeschlossene Ernte und hofften, auch wie zu allen Zeiten, auf einen noch besseren Ertrag im nächsten Jahr.
    Sie hatten sich in Gruppen niedergelassen, meist auf kleinen Ballen von festem Stroh sitzend, trafen Verwandte und Bekannte aus anderen Dörfern. Es wurden Neuigkeiten ausgetauscht, wurde gescherzt und später auch gesungen. Vor allem aber wurde gegessen und getrunken – oder genauer gesagt, ausgelassen geprasst. 
    Die ersten Töpfe waren geleert und manch prächtiges Schwein lag nun als ein Haufen abgenagter Knochen im Gras. Überall loderten Feuer, über denen sich so einiges Getier in einen saftigen, knusprigen Braten verwandelte. Anderswo waren große Kessel am Dampfen und vieles, was am Morgen in den Dörfern gebacken worden war, wurde jetzt gereicht. Die Fischer hatten vom Aal und Lachs die besten Exemplare mitgebracht, die nach einigen Stunden im Rauch einen überwältigenden Duft verbreiteten, welcher manchen, der sich bereits an anderen Speisen übervoll wähnte, nötigte, nochmals mächtig zuzulangen.
    Niemand gedachte heute des Schweißes und der Mühe, die die Beschaffung und Zubereitung der Nahrung kostete. Kinder, die man sonst zur Bescheidenheit ermahnte, wurden hier geradezu zur Völlerei angehalten. Solch ein Fest wurde nur einmal im Jahr gefeiert und war deshalb in jeder Hinsicht etwas Besonderes.
     
    Radik saß bei seiner Familie und zog gerade einem dicken geräucherten Aal die lederige Haut ab, wobei ihm das Fett von den Fingern tropfte. Er hatte sich fest vorgenommen, dass dies der letzte Happen für heute, wahrscheinlich sogar für die nächsten Tage war, aber das hatte er sich auch schon bei dem Stück Schweinebraten gesagt, dem dann noch eine Hühnerkeule, ein Stück Schafskäse, ein Honigkuchen und eben jener Aal gefolgt waren.
    "Ich hol mir noch etwas vom Hirsch", sagte der Vater und ließ dazu passend einen Rülpser erklingen, der dem Brunftröhren eines stattlichen Hirsches nicht unähnlich schien.
    Er wischte sich über den Mund.
    "Möchtest du ein Stück vom Rücken oder lieber aus der Keule, Radik. So etwas Feines gibt es so schnell nicht wieder."
    Radik sah seinen Vater entgeistert an.
    "Nein, nein!", wehrte er ab, "Kein einziges Stück mehr!"
    "Na gut. Ich werde dich aber daran erinnern, wenn wir im späten Winter von Salzheringen leben. Dann werde ich dir die Hirschkeule beschreiben, ihren lieblichen Duft, den köstlichen Geschmack des zarten Fleisches. Und glaub mir, es wird dir Leid tun, während du im Hering pükerst. Aber dann ist es zu spät."
    "Nun lass den Jungen doch, wenn er nicht mehr mag", mischte sich die Mutter ein "Euer Vater verschlingt heute mehr, als das ganze Dorf sonst in einer Woche

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