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Svantevit - historischer Roman (German Edition)

Svantevit - historischer Roman (German Edition)

Titel: Svantevit - historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai M. Jakobi
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weiße Pferd schnell seine Nervosität ab, die sich wohl nur von Zambor auf dieses übertragen hatte. Endlich stand er diesem Wesen gegenüber. Sie schienen sich gegenseitig zu bestaunen. Das Pferd blickte sanft auf den Jungen, der ihm nach anfänglicher Scheu schließlich doch mit den Fingern durch die Mähne fuhr – er tat dies sanft, sich vortastend, als wolle er etwas Unfassliches begreifen. Langsam hob sich der große weiße Kopf und als Radik die Hand kurz wegzog, um sich nach dem Feuer umzusehen, stieß ihm das Tier mit der Schnauze leicht gegen die Schulter.
    Der Brand ging langsam über in ein Meer aus beißendem Qualm, der in dieser windlosen Nacht steil zum Himmel emporstieg und die sehr nahe stehenden Menschen zu Husten und Tränen reizte. Dieser Rauch war wie ein Siegeszeichen, ein stiller Abgesang des eben noch heftig lodernden Feuers und zeichnete sich deutlich gegen den schwarzen Nachthimmel ab. Die Finsternis war, abgesehen von ein paar schwach glimmenden Glutnestern, plötzlich zurückgekehrt und es mussten Fackeln entzündet werden, was diesmal jeder besonders vorsichtig zu tun schien, als könne jede züngelnde Flamme dem gerade bezwungenen Schrecken neues Leben einhauchen. 
    Die Stimmen wurden leiser, es wurde ruhiger, geradezu beschaulich und Radik versank in intensiver Betrachtung des weißen Pferdes.
    "Das hast du gut gemacht!"
    Er erschrak. Ugov stand neben ihm und übernahm die Zügel.
    "Nicht auszudenken, wenn diesem Tier etwas passiert wäre!"
    "Ich habe doch nur die Zügel in der Hand gehalten!"
    "Ja, aber unterschätz dies nicht. Du glaubst gar nicht, was manche Pferde für eine Panik im Angesicht von Feuer entwickeln. Nicht wieder zu erkennen! Da ist es wichtig, dass jemand dabei steht, der Ruhe und Sicherheit ausstrahlt. Und ihr beide scheint euch ja prächtig zu verstehen."
    In der Tat dauerte es eine Weile, bis der Schimmel dem sanften Zug Ugovs am Zügel nachgab und Richtung Stall schritt, so als wolle es sich nur ungern von Radik trennen.
    "Ach übrigens", Ugov drehte sich noch mal um, "Aus dem Reitunterricht wird dann wohl erstmal nichts! Hier wird in nächster ein gewisses Durcheinander herrschen. Der Schutt muss weggeschafft und neue Gebäude errichtet werden. Wir verschieben die Sache am besten auf später, wenn hier wieder Ruhe eingekehrt ist."
    Für Radik war dies wie ein Stoß ins Herz, der ihn wütend und verzweifelt machte. Er wollte nicht irgendwann später das Reiten lernen, sondern am liebsten sofort.
    Der Nebel hatte sich noch dichter zusammengezogen und kroch feucht und kalt durch die Kleidung. Radik begann zu frieren. Er überschlug die Arme und spürte dabei das Lederstück, das ihm Womar mitgegeben hatte und welches er an einem Bändchen ständig um den Hals, unterm Hemd trug. Jetzt wusste Radik, was er morgen unternehmen würde.
     
     

Die seltsame Höhle
     
    Radik starrte angestrengt ins Wasser, als müsse er etwas Besonderes erkennen können. An genau dieser Stelle war, sofern ihn sein Gedächtnis nicht trog, Rusawa vor gut einem halben Jahr in das Eisloch gefallen. Radik hatte sich in dem kleinen Kahn, den er mit dem Vorsatz, ihn zurückzubringen, am Ufer in Besitz genommen hatte, aufgerichtet.
    Ein Schauer lief Radik über den Rücken, dessen Ursache nicht etwa in der Kälte des Wassers zu finden war. Eigentlich hatte er diese Stelle in der Bucht nur angesteuert, um sie zum Ausgangspunkt für seine Suche nach Womar zu machen. Und hätte nicht zufällig ein Kahn im Schilf gelegen, noch dazu mit Rudern versehen, wäre er am Ufer geblieben.
    Er hatte sich von der Wasserseite einen besseren Überblick über die Küste verschaffen wollen; Bewaldungen, Wege, vielleicht sogar Häuser ließen sich von hier möglicherweise leichter entdecken. Nun aber war er unerwartet ergriffen angesichts des Ortes, an dem Rusawa und er beinahe ihr Leben verloren hatten. Was er womöglich einfach verdrängt hatte, schien jetzt geballt in seinen Gefühlen hervorzubrechen – die Angst um Rusawa, das verzweifelte Ringen und vergebliche Bemühen ihrer Rettung, den Hauch des Todes, als statt Luft eisiges Wasser in die Lungen drang. Es war, als würde sich durch diese übermächtigen Eindrücke alles in Radik verkrampfen.
    Das Eintauchen der Hände in das stille Nass wirkte beruhigend, als würde das Unfassliche dadurch begreifbar werden. Und bald wich die beängstigende Erdrückung einer heiteren Dankbarkeit gegenüber dem Alten, der sie gerettet hatte. Dieses Gefühl der herzlichen

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