Sven Larsson Bd. 1 - Rebell unter Segeln
Trauerkleidung das Haus verlassen. Sie erschraken, als er so unvermutet vor ihnen stand.
»Was ist denn? Warum tragt ihr Trauer?«, fragte er besorgt.
»Die Oma ist vor einer Woche verstorben, mein lieber Junge. Aber komm herein, damit wir dich begrüßen und dir von ihren letzten Stunden erzählen können. Sie hat noch von dir gesprochen.«
Sven wurde es eng ums Herz. Die Oma tot! Sie gehörte zu dem Haus, in dem er nach der Vertreibung aus Einars Tal Zuflucht gefunden hatte. Sie war Teil seiner Jugend, immer wieder geheimnisvoll abwesend und dann doch so liebevoll präsent.
Sven sah seine Schwester an, die immer den Zugang zur Oma gefunden und sie in die Realität zurückgeholt hatte. Sie sah unnatürlich blass aus.
»Sie hat nicht gelitten. Sie schwand eigentlich dahin, vor Schwäche wohl. Sie wusste es, hat uns alle noch umarmt, dich gegrüßt und sich Opas Bild geben lassen. Wenn ein Tod wohltuend sein kann, dann hatte sie ihn. Aber wir und vor allem deine Schwester vermissen sie sehr.«
Sven umarmte seine Mutter und musste schluchzen. Ingrid sagte leise: »Sie spricht noch mit mir.«
Sven und seine Mutter sahen Ingrid erstaunt an. »Gestern hat sie gesagt, dass du kommen würdest und jetzt ein richtiger Mann seist. Sie freute sich über dich, Sven.«
Die Mutter wollte beruhigen: »Du wirst von ihr träumen, Ingrid. Es ist natürlich, dass du viel an sie denkst. Aber du musst dich auch von ihr lösen. Sie wollte, dass du dein Leben fröhlich lebst.«
Ingrid nickte und legte einen Arm um ihren Bruder.
»So, jetzt trinken wir mit Sven noch eine Tasse Tee, und dann kann er uns auf unserem Weg zu Omas Grab begleiten. Danach muss er dann alles von seiner langen Reise erzählen.«
Die Mutter ging aus dem Zimmer, um frischen Tee zu holen. Ingrid sagte unvermittelt: »Oma hat auch gesagt, dass du eine Frau kennen gelernt hast.«
Sven zuckte zusammen, antwortete aber dann: »Da hast du etwas falsch verstanden, Ingrid. Auf dem Schiff und im Hafen lernt man keine Frau kennen.«
Als die Mutter zurückkam, fragte sie, ob Sven schon wisse, wohin die nächste Reise ginge.
»Der Obersteuermann sprach von Barbados, aber sicher ist das noch nicht. Ich muss auch Mr Bradwick einmal besuchen. Vielleicht ist es bis dahin bekannt.«
Mr Bradwick bestätigte, dass sie nach Barbados segeln würden. Er war sehr freundlich zu Sven und lobte ihn, weil er sich schon gut als Steuermannsgehilfe eingearbeitet habe.
»Mr Margot ist sehr zufrieden mit dir. Dein Opa wäre stolz auf dich.«
Sven nickte ergeben. Er dachte liebevoll an seinen Opa, aber dass andere ihn dauernd erwähnten, um seine eigenen Fortschritte zu betonen, war ihm lästig.
Aber Mr Bradwick hatte bereits wieder auf sein altes Thema umgeschwenkt: die Unterdrückung der Kolonien durch England. Er konnte fast alle Artikel der patriotischen Wortführer zitieren, die die Arroganz der britischen Beamten und die Unterdrückung der kolonialen Selbstbestimmung anprangerten. Bradwick klagte, dass die Kolonien bald nur noch den Tee der Ostindischen Kompanie kaufen sollten, weil die britische Regierung der Handelskompanie finanziell verpflichtet war.
Und dann sagte er etwas, was Sven hellhörig machte.
»Es wird zum Konflikt kommen, Sven, da bin ich sicher. Und dann wird England unsere Handelsschiffe kapern und uns blockieren. Sie sind schon lange eifersüchtig auf unseren Handel. Und dann brauchen wir schnelle Schiffe, die ihre Blockade durchbrechen können. Wir lassenim Sommer zwei Schoner bauen. Vielleicht kannst du eines Tages auf einem dienen.«
Sven fragte sich, warum in Lissabon und Funchal die Stimmung so gelöst und friedlich war. Niemand hatte die Regierung als Feind gesehen, und Madeira gehörte doch auch nicht zum Mutterland. Auch mit britischen Matrosen hatten sie sich in den Häfen verstanden.
Aber dann erlebte Sven den britischen Beamten der Zollbehörde, der die Victoria vor dem Auslaufen kontrollierte, ob alle Waren richtig angegeben waren. Er war so arrogant und überheblich, behandelte auch den Kapitän wie einen dummen Jungen, dass die Matrosen vor Wut schäumten. Karl, der gerade Bretter am Niedergang strich, warf ihm – scheinbar aus Ungeschick – den Farbtopf so vor die Beine, dass seine Schuhe und Strümpfe bespritzt wurden.
Der Beamte tobte über diese tölpelhaften Hinterwäldler. Der Kapitän tat so, als ob Karl die Peitsche spüren müsste, aber alle freuten sich insgeheim. Als der Beamte fort war, klopfte der Kapitän Karl
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