Sweet Valentine's - Rache zum Valentinstag
noch mehr zu erkennen: ein kleines, wissendes
Lächeln. Ich bin mir sicher, dass ihr Mann sie vorher in seinen Plan, mich zu
diskreditieren, eingeweiht hat.
Mrs
Rodriguez hat inzwischen ihr Taschentuch heruntergenommen und starrt mich
entsetzt mit weit aufgerissenen Augen an. Sie scheint von der Entwicklung, die
meine Aussage genommen hat, genauso schockiert zu sein wie ich.
Ich
merke, wie ich langsam in mich zusammensinke. Mein Widerstand bricht, meine
Kraft lässt nach. Ich weiß, dass mir niemand glauben wird.
Nachdem
ich endlich das Kreuzverhör überstanden habe und mit wackeligen Knien zu einem
der vorgesehenen Plätze gegangen bin, wird Melissa Rinaldo in den Zeugenstand
gerufen. Sie ist eine der OP-Schwestern, die bei der Operation dabei waren.
Ich
lächele ihr so aufmunternd wie möglich zu, als sie sich auf den Stuhl setzt,
den ich gerade verlassen habe. Ich beneide sie nicht um das, was sie jetzt vor sich
hat. Wir verstehen uns gut, sind sogar ein bisschen befreundet. Ich bin sicher,
dass sie meine Geschichte bestätigen wird. Vielleicht schafft sie es ja,
überzeugender zu sein als ich. Ich setze alle meine Hoffnungen in sie.
Melissa
gibt ihre Personalien an und schildert wie ich kurz die Vorbereitungen auf die
Operation.
»Haben
Sie bei Dr. Shepherd an diesem Tag etwas Besonderes wahrgenommen?«, fragt sie
der Staatsanwalt. »War irgendetwas anders als sonst?«
Melissa
schüttelt langsam den Kopf.
»Nein,
mir ist nichts aufgefallen. Es war alles ganz normal.«
Der
Staatsanwalt baut sich direkt vor ihr auf. Offensichtlich hat er eine andere
Antwort erwartet. »Das heißt, Sie haben keinen Alkoholgeruch bei Dr. Shepherd
bemerkt? Keine Beeinträchtigung in der Sprechweise?«, hakt er nach.
»Nein,
alles war normal, wie ich schon gesagt habe.
Melissa
setzt den Unschuldsblick auf, den sie so gut drauf hat.
Ich
merke, wie ich mich innerlich verkrampfe. Sie wird mich doch nicht im Stich
lassen? Warum sagt sie nicht, was sich wirklich im OP abgespielt hat? Sie hat
doch gemerkt, was an dem Tag los war.
Alle
haben das!
Ich
springe auf. »Melissa, hör auf zu lügen und sag endlich die Wahrheit!«, rufe
ich in den Saal.
»Würden
Sie sich bitte sofort wieder setzen!«, rügt mich der Richter scharf. »Ich dulde
keine Zwischenrufe in meinem Gerichtssaal.«
»Ich
sage ja die Wahrheit«, gibt Melissa zurück. »Es gab nichts Besonderes.
Jedenfalls habe ich nichts bemerkt.«
Ihre
Stimme klingt trotzig, aber sie wagt es nicht, zu mir herüberzusehen.
»Eine
letzte Frage, Miss Rinaldo«, fährt der Staatsanwalt fort. Im Gegensatz zum
Anfang der Befragung sieht er inzwischen alles andere als zuversichtlich aus. »Dr.
Shepherd hat angegeben, Miss Bennett würde sich mit ihrer Behauptung dafür
rächen wollen, dass er die Affäre, die beide hatten, beendet hat. Soweit ich
weiß, sind Sie recht gut mit Miss Bennett befreundet. Wissen Sie etwas darüber?«
»Na
ja.« Melissa windet sich auf ihrem Stuhl hin und her. Dann besitzt sie
tatsächlich die Abgebrühtheit, mir direkt ins Gesicht zu sehen, als sie sagt. »Ich
fürchte, es stimmt. Tess war ziemlich in Dr. Shepherd verliebt, aber er hat
Schluss gemacht. Zuerst war sie am Boden zerstört, doch dann ist sie wütend
geworden. Ich kann mir schon vorstellen, dass sie sich an ihm rächen wollte.«
Ich
merke, wie mir die Tränen heiß in die Augen schießen. Mein Blick verschwimmt,
genauso wie die Geräusche und die Stimmen rings um mich herum. Vom Rest der
Verhandlung bekomme ich kaum noch etwas mit, aber ich bin mir ohnehin sicher,
dass Dr. Shepherd nicht verurteilt werden wird. Nicht bei dieser Beweislage.
Als
der Richter das Ende des Verhandlungstages verkündet, setze ich mich mit der
Masse der Zuschauer in Bewegung, um den Ort meiner Schmach endlich zu verlassen.
Vor
dem Eingang des Gerichtssaals wartet Jayden auf mich. Ich habe ihm alles
erzählt, was im Krankenhaus passiert ist. Er weiß von meiner Panik, noch einmal
in eine solche Situation zu kommen. Er weiß von den Selbstvorwürfen, die ich
mir seit diesem Tag mache. Und er weiß, dass sowohl die Leitung des
Krankenhauses als auch Dr. Shepherd mich unter Druck gesetzt haben, den Vorfall
zu vertuschen.
Damals
hat meine Kraft ausgereicht, um gegenüber der Staatsanwaltschaft die Wahrheit
zu sagen, obwohl es mich meinen Platz in der Klinik gekostet hat. Aber sie hat
nicht gereicht, um mein Studium zu beenden.
Jayden
blickt mich fragend an, als ich aus der Tür komme. Doch als er
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