Sweet Valentine's - Rache zum Valentinstag
hat assistiert. Außerdem
waren noch der Anästhesist und zwei OP-Schwestern anwesend.«
Ich
muss aufpassen, dass meine Sätze nicht wie einstudiert wirken, geht es mir
durch den Kopf. Ich räuspere mich kurz und spreche dann möglichst ruhig weiter.
»Dr.
Shepherd hat mich als Medizinstudentin im letzten Ausbildungsjahr als
Zuschauerin zugelassen. Ich habe mich sehr für diesen Bereich der Medizin interessiert.
Ich hatte aber keine aktive Aufgabe bei der Operation.«
»Was
haben Sie getan, nachdem Sie den OP-Bereich betreten haben?«, hakt der
Staatsanwalt nach, als ich ins Stocken gerate.
»Nun,
zuerst gibt es Hygienemaßnahmen, die jeder durchführt, der irgendwie mit dem
Patienten oder der Operation zu tun hat. Dazu gehören natürlich gründliches
Waschen der Hände und Unterarme sowie Desinfektionsmaßnahmen.«
»Verlief
alles normal an diesem Tag?« Wieder lächelt er aufmunternd.
»Nein.«
Ich schüttele den Kopf und schlucke schwer. »Dr. Shepherd stand neben mir und
hat sich vorbereitet. Er hat ein paar lockere Sprüche gemacht, und dabei ist
mir seine schleppende Sprechweise aufgefallen, so als hätte er etwas getrunken.
Außerdem habe ich Alkohol gerochen.«
»Sind
Sie sicher, dass der Alkoholgeruch von Dr. Shepherd ausging?«, fragt der
Staatsanwalt.
Ich
nicke langsam.
Ich
vermeide jeden Blick in die Richtung von Dr. Shepherd, dem Arzt, den ich mal so
bewundert habe, und der jetzt herausgeputzt in maßgeschneidertem Anzug und mit
Seidenkrawatte neben seinem Anwalt sitzt.
»Würden
Sie bitte richtig antworten«, weist mich der Richter streng zurecht.
»Ja,
ich bin sicher«, krächze ich.
Ich
habe schon häufiger Gerichtsverhandlungen im Fernsehen gesehen, aber ich hätte
mir niemals vorstellen können, wie miserabel man sich fühlt, wenn man da vorn
sitzt und mit Fragen gelöchert wird. Ich bin nur froh, den Staatsanwalt auf
meiner Seite zu haben. Allerdings hat er mich schon vorgewarnt, dass der
schlimmste Teil erst noch kommt: wenn der Anwalt von Dr. Shepherd seine Fragen
an mich stellen darf.
»Was
haben Sie daraufhin gemacht?«
»Ich
war vollkommen entsetzt, dass er in diesem Zustand operieren wollte, und habe
ihn darauf angesprochen«, berichte ich ehrlich. »Ich habe ihm direkt gesagt,
dass er das Leben des Patienten gefährdet, wenn er betrunken zum Skalpell
greift.«
Auf
der anderen Seite des Saals schluchzt eine Frau laut auf. Sie ist ganz in
Schwarz gekleidet und hält sich ein Taschentuch vor den Mund. Ihre Augen sind
gerötet vom Weinen. Ich nehme an, dass es die Frau von Diego Rodriguez ist. Dem
Mann, der uns bei der missglückten Operation unter den Händen weggestorben ist.
Ich bemerke,
dass ich vor Anspannung meine Finger ineinander gekrallt habe, und zwinge mich,
sie zu lösen.
»Wie
lautete die Antwort von Dr. Shepherd?«, will der Staatsanwalt wissen.
Ich
hole einmal tief Luft. »Er hat mir gesagt, dass ich mein vorlautes Mundwerk
halten soll. Wenn ich selbst dann einige Jahre erfolgreich schwierige
Operationen absolviert habe, dürfe ich ihm gern wieder gute Ratschläge geben.«
Ich mache eine kurze Pause, bevor ich weiterspreche. Wieder spüre ich die Wut
und die Hilflosigkeit, die bei dieser Antwort in mir aufgestiegen sind. »Ich
habe mich dann an Dr. Miller gewandt, aber der hat mir nur gesagt, es wäre
schon in Ordnung.«
»Es
wäre schon in Ordnung?«, wiederholt der Staatsanwalt in gespieltem Entsetzen,
obwohl er natürlich wusste, was ich aussagen würde.
Ich
nicke. »Genau so hat er es gesagt. Wort für Wort.«
»Weiter
haben Sie nichts unternommen?«, wendet sich jetzt der Richter an mich.
»Nein.«
Aber
ich hätte es tun müssen. Ich hätte verhindern müssen, was dann passiert ist.
Nur ich allein trage die Verantwortung, dass es überhaupt soweit gekommen ist.
Ich
merke, wie mir die Tränen in die Augen schießen.
»Nun,
wir wissen, dass Dr. Shepherd bei der Operation eine Arterie durchtrennt hat
und der Patient daraufhin verblutet ist«, kürzt der Richter meine Erklärung ab.
»Die Frage ist daher nicht, was passiert ist, sondern inwiefern Dr. Shepherd
dafür die Schuld trägt. Sie haben mit ihm gesprochen. Wie ist Ihre
Einschätzung, war er in der Lage, ordnungsgemäß eine Operation durchzuführen?«
»Nein!«,
antworte ich mit fester Stimme.
Ein
Raunen geht durch den Saal.
»Nein,
das war er nicht«, wiederhole ich. »Und ich mache mir die größten Vorwürfe,
weil ich ihn nicht aufgehalten habe.«
Ich
blicke wieder zu Mrs Rodriguez. Ihre
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