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Sweetgrass - das Herz der Erde

Sweetgrass - das Herz der Erde

Titel: Sweetgrass - das Herz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Alice Monroe
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Meinst du, er wollte mich ein bisschen auf den Arm nehmen?”
    Preston schmunzelte ein bisschen, und sie tat es ihm gleich. Aber dann verschwand ihr Lächeln, als sie spürte, wie der Nebel in ihrem Kopf wiederkam.
    “Er hat neulich auch über Hamlin gesprochen”, erzählte sie. Sie sah, wie auch Prestons Lächeln verschwand und einem Ausdruck von Betroffenheit und Sorge Platz machte. “Nan sagt, dass er immer noch diese Albträume hat. Ich vermute, seine Rückkehr nach Hause wühlt alles wieder auf, und die alten Geister kehren zurück.”
    Er zog die Augenbrauen zusammen.
    “Das ist doch gut, findest du nicht? Über Dinge wegzukommen, die wir im Kopf haben, mit den Sachen zurechtzukommen. Ich meine, manchmal ist unsere Erinnerung ein bisschen durcheinander geraten, und dann muss man …” Sie presste die Lippen aufeinander und starrte durch das Fenster dem aufkommenden Sturm entgegen. Wie sollte sie es ihm nur erklären?
    Plötzlich spürte sie seine Hand an ihrem Knie, fuhr herum und sah ihn direkt an. Sie erkannte Verständnis in seinen Augen und unendliche Geduld. Behutsam griff sie nach seiner Hand und hielt sie fest, und das gab ihr Mut.
    “Ich habe in letzter Zeit auch viele Träume”, vertraute sie ihm an. “Und sie sind so viel lebendiger als alle, die ich je hatte. Es ist, als würde ich die Vergangenheit noch einmal erleben. Nein, so stimmt es nicht”, berichtigte sie sich dann und schüttelte den Kopf. “Es ist schwer zu erklären. Es ist eher so, als würde ich einen Film sehen. Ich bin zwar da, aber ein bisschen abseits, wenn man so sagen kann. Es hat angefangen, als ich mit dir darüber gesprochen habe, wie wir uns kennengelernt haben. Erinnerst du dich? Danach haben diese Träume begonnen. Ich habe meistens von meinem ersten Sommer auf Sweetgrass geträumt, als ich mit Adele herkam. Es kehrt alles zurück. In allen Einzelheiten. Wir sind wieder jung. Ich sehe dich und Adele.” Sie machte eine Pause. “Und Tripp.” Sie sah ihn vorsichtig an. Sein Ausdruck hatte sich nicht verändert.
    “Ach, Preston, ich habe die Briefe wiedergefunden!”, platzte sie heraus. “Ich war auf dem Dachboden und habe sie gefunden, und ich habe sie immer und immer wieder gelesen.” Sie schüttelte den Kopf. “Was ich kaum verstehen kann, ist, wie ich so blind an eine Sache glauben konnte, wirklich und wahrhaftig daran glauben konnte, obwohl die Wahrheit die ganze Zeit offen dalag und mir fast ins Gesicht gesprungen ist.”
    Sie schlug die Hände vors Gesicht. “All die Jahre habe ich mich an dem Glauben festgehalten, dass trotz allem, was passiert ist, trotz all des Leids und der Schmerzen Tripp mich doch geliebt hat. Aber natürlich hat er das nicht. Das ist mir jetzt klar.” Sie ließ ihre Hände sinken und sah in seine Augen, in denen sie wieder dieses Mitgefühl erkannte. “Du hast das immer gewusst, oder?” Ihr Seufzen mündete in ein kurzes bitteres Lachen. “Wenn ich die Wahrheit doch nur früher akzeptiert hätte! Wenn ich nur daran denke, wie ich gelitten habe, wie sehr ich auf ein Wort, ein Zeichen von Tripp gewartet habe …”
    Sie straffte die Schultern. “Und wenn ich daran denke, wie viele Menschen deswegen leiden mussten.” Ihre Stimme wurde weich. Plötzlich fühlte sie sich wieder sehr müde. Ihr gegenüber saß Preston still auf seinem Stuhl und hörte zu. Sie hatte nie wirklich mit ihm darüber gesprochen, was in diesem Herbst auf dem College geschehen war oder wie sie von Tripps Tod erfahren hatte. Sie hatten die Einzelheiten immer übergangen, so wie sie im Kajak über die dunklen Gewässer des Sumpflandes gefahren waren.
    Jetzt, dachte sie. Jetzt muss ich es ihm erzählen.
    “Der Herbst war ungewöhnlich kalt damals”, begann sie. “Ich war wieder in Wofford College, und Adele war immer noch meine Mitbewohnerin. Die ersten gemeinsamen Tage waren schwierig, das kannst du dir ja vorstellen, nach diesem Sommer. Aber wir haben versucht, unsere Freundschaft wenigstens so weit zu kitten, dass wir halbwegs miteinander klarkamen. Doch wir haben uns kaum gesehen. Sie war das gleiche Energiebündel wie immer und ständig unterwegs. Und offen gestanden, war ich so sehr mit mir selbst und meinen Sorgen beschäftigt, dass es mir ganz recht war, dass wir nicht mehr so eng verbunden waren wie vorher. Vielleicht hat es die ganze Angelegenheit sogar ein bisschen leichter gemacht – schließlich war ich von ihrem Bruder schwanger, und sie wusste es nicht.
    Damals habe ich in dem Park rund

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