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Sweetgrass - das Herz der Erde

Sweetgrass - das Herz der Erde

Titel: Sweetgrass - das Herz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Alice Monroe
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anderes. Er fühlte sich innerlich wie tot, als wäre er zusammen mit seinem Bruder in diesem Boot gestorben. Er wollte nirgendwo mehr hingehen, denn egal wo – in der Schule, in der Kirche oder beim Einkaufen – jeder wusste von dem Unfall, und jeder fühlte sich verpflichtet, zu ihm zu gehen und ihm zu sagen, wie schrecklich das alles sei, wie leid er ihnen tue und, was am schlimmsten war, wie froh er sein müsse, dass er noch am Leben sei. Sie übergingen es nicht einfach. Also wich er ihnen seinerseits aus. Er kam besser damit zurecht, wenn er sich versteckte und nicht mehr unter Leute ging.
    Dieser Abend aber war anders. Als wäre ein Fenster in ihm plötzlich geöffnet worden, das jahrelang fest verschlossen gewesen war. Das Atmen fiel ein bisschen leichter. An Ham zu denken, über ihn zu sprechen, tat nicht mehr so weh wie früher. Lag es an Kristina? Oder vielleicht hatte die Zeit seine Wunden doch geheilt?
    Er sah Kristina an, die auf der Bank saß. Im Profil sah sie weich und wohlgeformt aus, mit markanten Gesichtszügen.
Weich und doch stark
. Er fand, das war eine passende Beschreibung.
    Als er zu ihr trat, stand sie auf und lächelte ihn fröhlich an. Ich fühle mich wohl mit ihr, dachte er.
Ich vertraue ihr
.
    Er legte einen Arm um ihre Schulter, worauf sie ihn fragend ansah. “Lass uns gehen”, sagte er.
    So liefen sie Arm in Arm los in Richtung Auto.
    Nona legte die Hände auf ihre breiten Hüften und sah sich den Gemüsegarten genauer an. Es gab Rosmarin und Petersilie, leuchtenden Lavendel, blühenden Dill, große Büschel Basilikum und reihenweise Gemüse. Und Tomatensträucher standen da zuhauf und versprachen leckere saftige Früchte, die köstlich schmecken würden auf einem Stück knusprigem Brot mit einem Blatt Basilikum.
    “In diesem Garten läuft mir jedes Mal das Wasser im Mund zusammen”, sagte sie zu Kristina, als sie durch das schwarze Eisentor näher kam.
    Kristina setzte sich auf und lächelte ihr freundlich entgegen. Neben ihr stand ein alter Apfelkorb mit gezupftem Unkraut darin. Nona fand Kristinas Lächeln so frisch und strahlend wie die Veilchen, die sie zwischen die Tomaten setzte.
    “Ja, es wird langsam”, erwiderte Kristina bescheiden. “Ich weiß zwar nicht, ob ich lange genug hier sein werde, um von der Ernte zu profitieren, aber ich arbeite so gerne im Garten. Das war immer schon mein Hobby. Oder eher eine Leidenschaft.”
    “Das sieht man”, stellte Nona voller Bewunderung fest.
    “In Kalifornien hatte ich einen großen Garten. Der Boden ist so gut dort! Man kann ein Samenkorn in die Erde stecken, darauf spucken und es wächst und gedeiht. Die Erde hier ist ganz anders. Viel sandiger.”
    “Sie müssen einfach besonders viel gießen”, riet Nona. “Das ist der Trick. Jede Menge Wasser.”
    “Es ist so ein hübsches Plätzchen, und irgendjemand hat mal eine Menge Arbeit auf diesen Garten verwendet. Er muss unglaublich gewesen sein zu seinen besten Zeiten.”
    “Das war seit jeher der Küchengarten des Hauses. Als das Land noch bewirtschaftet wurde, kamen die meisten Lebensmittel von den Feldern ein Stück die Straße hinunter. Es gab Zeiten, da mussten wir fast nichts selbst kaufen, außer Mehl, Zucker, Kaffee und solchen Sachen.”
    “Morgan hat mir erzählt, dass Mama June sich um den Garten gekümmert hat.”
    Nona nickte, und ihre Miene wurde nachdenklich. “Das hat sie. Sie hat Kräuter angepflanzt. Und Blumen. Ach, sie hat ihre Blumen so geliebt. Das ganze Haus stand voll davon. In jeder freien Minute kam sie hier raus mit ihren Gartengeräten.”
    “Um den Garten hat sich aber schon lange niemand mehr gekümmert.”
    Nona zuckte mit den Schultern und blickte zur Seite. “Sie muss wohl irgendwann das Interesse verloren haben.” Sie bückte sich, um ein Stück Unkraut wegzuzupfen, das sich hinter einem dunkelgrünen Blatt versteckt hatte. “Es ist schön zu sehen, dass der Garten wieder ein bisschen Aufmerksamkeit bekommt.”
    “Was hübsche Plätzchen betrifft”, sagte Kristina und schob die Pflanzkelle tief in die Erde. “Ich war inzwischen ein paarmal draußen in Blakely’s Bluff.”
    Nona nickte und betrachtete den Garten. “Sie haben davon erzählt.”
    “Es ist zauberhaft.”
    “Von dort hat man den schönsten Blick aufs Meer.”
    “Und das Haus ist wunderbar! Architekten sagen ja manchmal, dass ein Haus ‘gute Knochen’ hat. Das gilt für Bluff House auf jeden Fall. Hohe Decken, große Fenster, eine breite Treppe und eine

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