Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sweetgrass - das Herz der Erde

Sweetgrass - das Herz der Erde

Titel: Sweetgrass - das Herz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Alice Monroe
Vom Netzwerk:
grandiose Aussicht. Wer immer das Haus gebaut hat – sie kannte sich aus.”
    “
Er”
, verbesserte Nona. “Der Mann, der es gebaut hat, war ein unerträglicher, alter Soldat aus dem Bürgerkrieg.”
    “Das sagen Sie. Ich behaupte, er war eine verwundete Seele, ein Visionär, der in der Natur Linderung für seine Wunden suchte.” Sie grinste breit, und auch Nona musste lächeln. “Schade, dass da heute niemand mehr hingeht”, fügte Kristina hinzu.
    Nona fiel ein, dass ein Cousin der Familie gelegentlich vorbeigekommen war und dort gewohnt hatte und dass Chas und Harry einmal für eines ihrer nichtsnutzigen Wochenendvergnügen Freunde mit dorthin genommen hatten. Aber ganz bestimmt hatte keiner von ihnen auch nur einen Finger gerührt, um als Dank etwas für das Haus zu tun oder auch nur den eigenen Müll wegzuräumen.
    “Es war nicht immer so”, antwortete Nona. “Früher war die Familie ganz oft draußen in Bluff House. Sie haben sich getroffen, Ausflüge gemacht und große Grillfeste veranstaltet. Mr. Preston hatte so einen alten Krabbenkutter, mit dem er für sein Leben gern herumtuckerte. Meine Güte, er hat damals jede freie Minute an dem Boot gearbeitet! Er hat das Boot ‘Das Projekt’ getauft, weil das immer seine Antwort war, wenn Mama June wissen wollte, wohin er ging. ‘Ich arbeite an meinem Projekt!’, sagte er dann.” Nona grinste bei der Erinnerung. “Sie hatten eine gute Zeit dort draußen.”
    Kristina reichte Nona eine Flasche mit kaltem Wasser aus ihrer Kühlbox und machte dann eine Pause, um selbst etwas zu trinken.
    “Es muss sich viel verändert haben nach dem Unfall”, sagte sie leise.
    Nona trank von ihrem Wasser und dachte nach, dann streckte sie die Hand nach einer kleinen Unkrautpflanze aus. Sie hielt sie in ihrer starken Hand und schüttelte die Erde von der Wurzel. “Sehen Sie dieses Unkraut hier?”, fragte sie Kristina. “Von oben besehen wirkt es gar nicht so groß, aber manchmal reichen die Wurzeln richtig tief. Man muss sie vorsichtig herausziehen, damit man die ganze Wurzel herausbekommt. Denn wenn ein Stück in der Erde bleibt, wächst etwas nach, das noch stärker ist. Genauso verhält es sich mit dem Schmerz in dieser Familie. Die Wurzeln reichen tief, und der Schmerz hat sich überall verbreitet. Und alle haben Angst, daran zu rühren, denn sie befürchten, dass der Schmerz wieder wächst und alles überwuchert. Also tun sie gar nichts. Aber unter der Erde treiben die Wurzeln und werden immer stärker.”
    Sie seufzte schwer, sah Kristina nachdenklich an und begann schließlich zu erzählen.
    “Hamlin war ein feiner Junge. Voller Leben und mit jeder Menge Unsinn im Kopf. Er war ein kleiner Teufel, das sag ich Ihnen, und der Augapfel seiner Mutter. Er war nicht mal achtzehn, als er ertrank. Es war eine schreckliche Tragödie. Ich habe ihn sehr gemocht und trauere um ihn wie um einen Sohn, doch das ist kein Vergleich zu Mama Junes Schmerz. Mein Gott, als sie die Nachricht bekam, dachte ich, sie wird wahnsinnig. Sie lief umher, schrie und raufte sich die Haare. Mir läuft es noch heute kalt den Rücken hinunter, wenn ich nur daran denke. Es war eine schreckliche Zeit. Mama June versank tief in ihrer Verzweiflung. Sie hat ihr Zimmer nicht mehr verlassen. Sie ist nicht aufgestanden, nicht zum Saubermachen oder zum Kochen oder um sich um ihre Kinder zu kümmern. Dabei hätten sie sie so sehr gebraucht, gerade der kleine Morgan. Für ihn war es am schlimmsten. Er wirkte wie ein verlorenes Lämmchen.” Nona seufzte schwer. “Aber ich kann es ihr nicht vorwerfen. Ich glaube, in jener Zeit war ihr eigenes Leben ihr nichts mehr wert, ganz bestimmt nicht. Damals haben Elmore und ich befürchtet, die Familie würde diese Tragödie nicht überstehen, würde daran zerbrechen. Wir haben für sie gebetet. Mein Gott, was haben wir für sie gebetet! Wochenlang hat Mary June ihr Zimmer nicht verlassen. Die Ärzte und der Pfarrer kamen, doch niemand hat sie aus dem tiefen Loch holen können, in das sie nach Hamlins Tod gefallen war. Irgendwann kam sie dann von selbst wieder nach unten. Sie hat dies und das getan, aber ihr Herz war nicht dabei. Die leiseste Erwähnung von Hamlins Namen oder irgendetwas, das sie an ihn erinnerte, und sie verschwand in ihrem Zimmer. Irgendwann begann die Familie, das als ihre ‘Pausen’ zu bezeichnen. Es wurde ein Teil des Alltags in diesem Haus.
Mama June hat ihre Pause …”
    “Aber irgendwann kam sie darüber hinweg”, sagte Kristina.

Weitere Kostenlose Bücher