Sweetgrass - das Herz der Erde
liebst. Aber irgendjemand in der Familie muss jetzt praktisch denken. Mama June braucht etwas zu essen. Die Pflege für deinen Vater muss bezahlt werden. Und wenn die Steuern nicht bezahlt werden, geht sowieso alles verloren. Morgan, hör auf zu träumen. Du hast keine andere Wahl.”
“Tante Adele, bitte gib uns noch etwas Zeit. Ich werde einen Weg finden, um das Geld zurückzuzahlen. Ich schwöre es.”
“Ich warte schon seit fünfzehn Jahren, und das nur um meines Bruders willen. Aber ohne Preston – das geht nicht gegen dich, mein Lieber – sehe ich nicht, wie ich jemals wieder zu meinem Geld kommen sollte. Ich werde die Früchte meiner erheblichen Investition ernten.” Sie nahm ihre Gabel und begann, ihren Salat zu essen. “Nein. Ich habe mich entschieden. Noch länger werde ich nicht warten. Ich habe einen Käufer, und das Land
wird
verkauft.”
Morgan sprang auf und nahm seine Geldbörse aus seiner Jacke. Er zog ein paar Geldscheine heraus und legte sie auf den Tisch.
“Die Sache ist noch nicht vorbei, Tante Adele. Egal, wie du darüber denkst. Ich werde einen Weg finden, um das Geld zurückzuzahlen.”
“Du hast mir nicht zugehört. Die Zeit ist abgelaufen”, antwortete sie und blickte ihn eindringlich an.
Morgan machte auf dem Absatz kehrt und marschierte aus dem Restaurant, so schnell er konnte. Als er nach draußen kam, prallte er regelrecht gegen eine Wand von schwüler Hitze. Die Sonne brannte erbarmungslos vom Himmel. Morgan blieb stehen, starrte für einen Moment in das grelle Licht und überlegte, was zum Teufel er nun machen sollte.
Fünfhunderttausend Dollar. Die Nachricht hatte ihn so geschockt, dass er nicht einmal gefragt hatte, wie viel davon noch abbezahlt werden musste. Aber selbst wenn es nur die Hälfte war, war es immer noch zu viel. Er wusste, dass sie sich das nicht leisten konnten. Sie waren ohnehin schon knapp bei Kasse. Nicht einmal wenn er seine Ranch in Montana verkaufte, hätte er genug beisammen. Und wie er seine liebe Tante kannte, würde sie ihnen in Kürze ihre Anwälte auf den Hals hetzen.
Er suchte nach einer Telefonzelle. Er musste unbedingt seinen eigenen Anwalt anrufen.
Später am Nachmittag kam Hank in Adeles Büro, als sie gerade das Gespräch mit ihrem Anwalt beendete. Sie machte ihm ein Zeichen zu warten. Aus ihren dunklen Augen beobachtete sie ihn, während er sich in ihrem Büro umsah und nervös mit seinen Fingern spielte.
Hank war ein gut aussehender Mann, kräftig, aber sportlich und auch ein bisschen eitel in seinem frisch gewaschenen weißen Hemd mit Krawatte. Gutes Aussehen und eine freundliche Ausstrahlung waren ein wichtiges Kapital im Immobilienbusiness, und Hank nutzte seine Attribute wie eine Waffe. Er war das, was sie einen “Mister Schlagfertig” nannten, ein lustiger Kerl, der einen schlauen Witz jederzeit parieren konnte. Er war der ideale Partygast, jederzeit gut erzogen, aber dabei nie zu blass. Die meisten Menschen spürten gar nicht, wie ehrgeizig Hank war. Hinter seinem lockeren Auftreten verbarg sich ein machthungriger, geldgieriger Charakter. Adele kannte seine Ambitionen und konnte sie gut nachvollziehen. Sie hatte Hank unter ihre Fittiche genommen, weil er viel versprechend und gleichzeitig loyal war. Und weil er dem Sohn am nächsten kam, den sie nie gehabt hatte.
Sie legte auf und deutete mit ausgestreckter Hand auf einen Stuhl. Hank setzte sich und schlug die Beine übereinander.
“Was gibt’s?”, fragte er mit hellwachem Blick.
“Ich habe mich vorhin zum Lunch mit meinem Neffen getroffen.”
“Morgan?”, fragte er überrascht.
Sie nickte. “Er hat einen Plan, um Sweetgrass zu retten”, erklärte sie und betonte jedes Wort.
Hank erschrak. Sie griff in ihre Handtasche und holte eine Packung Zigaretten heraus. Wortlos zündete sie sich eine an, inhalierte tief und sammelte sich einen Moment, bevor sie erzählte.
“Als wäre es nicht schon genug gewesen, tagelang mit ihm in Prestons Büro all diese Akten durchzugehen.” Sie schüttelte angewidert den Kopf. “Was für ein Durcheinander. Ich verstehe nicht, wie man dermaßen schlecht organisiert sein kann. Ich hätte einen Preis verdient, weil ich meinen Neffen so lange ertragen habe, ohne ihn mal gehörig zurechtzustutzen. Aber das jetzt ist wirklich der Gipfel. Er will den Besitz unter Naturschutz stellen lassen.”
Hank rutschte auf seinem Stuhl hin und her. “Die Idee ist nicht schlecht.”
Adele starrte ihn wütend an. “Das wird nicht passieren.
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