Sweetgrass - das Herz der Erde
Das wissen wir beide. Aber ich bin am Ende meiner Weisheit, das kann ich dir sagen. Als er mich um dieses Essen gebeten hat, war ich mir sicher, dass er mir sagen wird, er müsse verkaufen. Und dann wollte ich ihm die gute Nachricht überbringen, dass ich bereits Käufer für das Land habe und dass alles ein gutes Ende finden wird.” Sie zog an ihrer Zigarette und stieß den Rauch durch die Nase aus. “Es ist eine Schande, dass es nun so kommen musste”, sagte sie dann.
“Bist du dir sicher?”, fragte Hank. “Dabei solltest du dir keinen Fehler leisten.”
Adele nickte. “Ich kann mit Bestimmtheit sagen, dass sie keine Kopie meiner Vereinbarung mit Preston besitzen. Ich habe gerade mit meinen beiden Anwälten gesprochen. Sie setzen jetzt die Papiere auf.”
An diesem Abend fuhr Nan von Sweetgrass die lange gewundene Allee entlang nach Hause. Die Nacht war dunkel, und dichte Wolken versperrten den Blick auf die Sterne. Sie nahm die Kurven vorsichtig, weil sie jederzeit mit einem Opossum rechnete, das gemächlich über die Straße lief, oder mit einem plötzlich auftauchenden Hirsch. Als sie von der Rifle Range Road in ihr Wohngebiet abbog, gähnte sie herzhaft und seufzte, so müde war sie. Sie sehnte sich nach einem heißen Bad, einem kühlen Glas Wein und ihrem Bett – in dieser Reihenfolge.
Sie hatte angeboten, den Abend an Daddys Bett zu verbringen, damit Mama June zur Abwechslung einmal früh ins Bett gehen konnte. Morgan war mit Kristina zum Essen nach Charleston gefahren. Er war vollauf bedient gewesen, als er von dem Mittagessen mit Tante Adele zurückgekehrt war, wollte aber nichts davon erzählen. Die beiden sind wirklich wie Hund und Katze, dachte Nan und wünschte, es wäre anders gewesen. Das hätte ihr eigenes Familienleben erheblich erleichtert.
Und was Kristina betraf, hatten Morgan und sie in letzter Zeit viel zusammen unternommen. “Wir sind nur gute Freunde”, hatte Morgan ihr vor kurzem erst versichert. Sie lächelte. Diese Freundschaft bot jede Menge Gesprächsstoff für Mama June und Nona, wenn sie auf der hinteren Veranda zusammensaßen.
Als sie am Haus vorfuhr, sah sie das Licht im Wohnzimmer brennen. Und zu ihrem Missfallen erkannte sie das Auto von Tante Adele, das in der Einfahrt stand und die Zufahrt zur Garage blockierte. Nan parkte den Wagen auf dem Rasen. Als sie aus dem klimatisierten Geländewagen ins Freie trat, kam ihr ein Schwall feuchtwarmer Sommerluft entgegen. Die Stille der Sommernacht wurde vom Zirpen der Grillen durchbrochen, und von den Sümpfen drang das Quaken der Frösche herüber.
Nan schlüpfte durch die Hintertür und wollte vorsichtig in die Küche schleichen, um der erregten Diskussion zu entgehen, die im Wohnzimmer im Gange war. Doch als sie auf Zehenspitzen an der halb offenen Tür vorbeilief, hörte sie Hank den Namen Sweetgrass sagen. Plötzlich hellwach und alarmiert blieb sie stehen, lehnte sich gegen die Wand und lauschte.
“Ich weiß nicht, wie lange wir eine Antwort noch hinauszögern können”, sagte Hank gerade. “Diese Investmentgroup will die Entscheidung jetzt. Wenn wir ihnen Sweetgrass nicht anbieten können, werden sie sich etwas anderes suchen.”
“Sie machen sicherlich nur ein bisschen Wind”, antwortete Adele beschwichtigend. “Es gibt doch kaum etwas Vergleichbares, das so attraktiv und geschichtsträchtig ist wie Sweetgrass.”
“Das stimmt. Aber was hilft uns das, wenn die Familie nicht verkaufen will?”
“Sie
werden
verkaufen”, behauptete sie. Adele fluchte, um ihrem Unwillen Ausdruck zu verleihen. “Morgan war schon damals als kleiner Junge mit kurzen Hosen ein Aufrührer. Er gehört zur Familie, und die hat es ihm wahrlich schwer genug gemacht. Warum geht er nicht einfach zurück nach Montana? Seit er wieder hier ist, mischt er sich in Angelegenheiten ein, die ihn gar nichts angehen.”
“Er kann ziemlich wichtigtuerisch sein”, stimmte Hank zu. “Als ich ihm meine Hilfe angeboten habe, hat er mir gedankt und mich mit diesem Lächeln angeschaut, das so viel hieß wie: ‘Kümmere dich um deinen eigenen Kram.’“
“Was hast du denn erwartet? Er weiß ja, dass du für mich arbeitest.”
“Wir sollten alle zusammenarbeiten.”
“Stimmt. Aber er sieht das nicht so. Wie kann ich ihm nur klarmachen, dass für alle Beteiligten jetzt der beste Zeitpunkt ist, um zu verkaufen? Er würde eine beträchtliche Summe Gewinn machen. So ein Geschäft bietet sich einem nicht alle Tage.”
“Das erzählst du dem
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