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Sweetgrass - das Herz der Erde

Sweetgrass - das Herz der Erde

Titel: Sweetgrass - das Herz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Alice Monroe
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Baumwollstoff beiseiteschob, um seine Brust freizulegen. Seine Haut war blasser als früher, und die Haare auf seine Brust waren überwiegend grau. Aber die Beschaffenheit der Muskeln und die Anordnung der Knochen fühlten sich so vertraut an wie ihre eigene, als sie ihn berührte. Zögernd fuhr sie mit der Hand durch das Haar, das sich weich anfühlte unter ihrer Handfläche. Seine Brust hob und senkte sich gleichmäßig.
    “Das fühlt sich gut an, oder? Wie lange ist es her, dass ich dich so berührt habe? Ich kann mich gar nicht mehr an das letzte Mal erinnern. Weißt du es noch?”
    Er blinzelte einmal.
    “Ich auch nicht.”
    Und dann holte sie tief Luft und nahm all ihren Mut zusammen, als sie sagte: “Aber ich kann mich noch gut an das erste Mal erinnern …”
    Sie war damals neunzehn und eine Lebenskünstlerin.
    Das jedenfalls hatte Mary June Clark ihrer Mitbewohnerin Adele Blakely anvertraut, als sie den Highway entlanggebraust waren, weg vom College in Richtung Sonne, Strand und, hoffentlich, Jungs. Die Ferien hatten begonnen, und die Freundinnen wollten die ersten beiden Ferienwochen so faul wie möglich verbringen.
    Aus ihren offenen Fenstern drang Musik, während sie an langsam dahintuckernden Pick-ups voller Tomaten und an Schulbussen vorbeifuhren. Jedes Mal, wenn sie ein Auto überholten, in dem hübsche Jungs saßen, drückte Adele auf die Hupe ihres Mercurys. Wenn die Jungs dann zurückhupten und winkten, kicherten die jungen Frauen übermütig. Die beiden Freundinnen machten etwas her, und sie wussten genau, dass sie Aufmerksamkeit erregten, wenn sie zusammen herumzogen.
    Mary June war eine zarte Schönheit, ein bisschen wie die wilden Blumen, die sie so liebte. Ihre großen kornblumenblauen Augen betonten sanft ihre blasse Haut. Sie war zierlich, hatte eine schmale Taille und stufig geschnittenes Haar, das genauso auf ihre Schultern fiel wie bei der Schauspielerin Sandra Dee, mit der sie am häufigsten verglichen wurde. Ihre Freundinnen hielten diesen Vergleich für ein großes Kompliment, aber Mary June ärgerte sich jedes Mal darüber. Statt mit so einem Rehlein wollte sie lieber mit jemandem verglichen werden, der sich was traute. Jemand wie Katherine Hepburn.
    So wie Adele. Schlank und sonnengebräunt, mit glänzend braunem Haar, das sie als Bubikopf trug, leuchteten Adeles dunkelbraune Augen mit einem Selbstvertrauen, das ebenso attraktiv wie einschüchternd war. Als Mitbewohnerinnen hatten sie sich zufällig zusammengefunden, aber dann waren sie Freundinnen geworden. Und dieser gemeinsame Sommer sollte die Krönung eines fulminanten ersten Collegejahres sein.
    Beide hatten sie vollauf genug von langweiligen Vorlesungen in überhitzten Klassenzimmern, fettigem Mensaessen, vom Lernen bis tief in die Nacht und Kursen in aller Herrgottsfrühe. Präsident Eisenhower regierte ein Land im Frieden, mit der Wirtschaft ging es bergauf, das Wetter war herrlich und sie hatten ihre letzten Prüfungen hinter sich. Die Welt lag ihnen zu Füßen, wie irgendein Schriftsteller, über den sie im Englischunterricht gesprochen hatten, irgendwo geschrieben hatte.
    Während Adeles roter Mercury Meile um Meile zurücklegte, knabberten die Mädchen Süßes, tranken Cola und rauchten Zigaretten, die Adele in ihrer Handtasche herausgeschmuggelt hatte. Sie waren auf dem Weg in den Sommer und nach Sweetgrass.
    Mary June war ein wenig aufgeregt wegen ihrer Reise zum Elternhaus von Adele. Die Blakelys waren eine alteingesessene Familie aus Charleston. Ihre Wurzeln reichten weit zurück – wie die meisten der alten Familien von Charleston. Auch Mary Junes Stammbaum reichte ein gutes Stück zurück. Einige ihrer Vorfahren waren im Kampf für die Südstaaten gefallen, und ihr Onkel William zog für Gedenkveranstaltungen an den Bürgerkrieg immer noch die Uniform an. Aber auch wenn die Clarks längst mehr Land besaßen und bewirtschafteten als die Blakelys, so hatten sie doch nie eine echte Plantage besessen, und mit ihrem Namen verband sich keine so glanzvolle Geschichte wie mit dem der Blakelys. Die Blakelys gehörten zur Crème de la Crème der Gesellschaft von Charleston, und kein noch so großer Besitz konnte einem solchen Stammbaum das Wasser reichen.
    Adele hatte ihr jedoch versichert, dass die Blakelys längst keine bodenlangen Kleider mehr trugen, und Mary June hatte sich ein bisschen beruhigt. Sie wussten beide, dass Mary Junes Taschengeld erheblich großzügiger bemessen war als Adeles.
    Während sich der

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