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Sweetgrass - das Herz der Erde

Sweetgrass - das Herz der Erde

Titel: Sweetgrass - das Herz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Alice Monroe
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Nachmittag allmählich dem Ende entgegenneigte, wuchs ihre Aufregung, als sie die kleine Stadt Mount Pleasant erreichten. Mary June sah die heruntergekommenen Stände mit den Sweetgrass-Körben entlang der Straße und erinnerte sich daran, wie sie mit ihrer Mutter vor Jahren einmal in Richtung Norden nach Myrtle Beach gefahren war.
    “Adele, halt mal an!”, rief sie und steckte den Kopf weit aus dem Fenster. Der Fahrtwind zerzauste ihr blondes Haar, als sie auf einen Holzstand zeigte, an dem Dutzende Körbe an Haken aufgehängt waren. Er stand im Schatten einer riesigen Lebenseiche, und sie hatte ihn als den Stand erkannt, an dem sie mit ihrer Mutter den kleinen Korb gekauft hatte, den sie mit ins College genommen hatte.
    “Herrje, das könnte sogar die Frau von damals sein. Halt an, Adele, ich will noch so einen Korb kaufen!”
    “Süße, wir können nicht für jeden Korb anhalten”, rief Adele, um die Musik zu übertönen. “Lass uns weiterfahren. Es ist nicht mehr weit, und ich bin hungrig, durstig und muss unbedingt aufs Klo.”
    Mary June fiel tief enttäuscht in ihren Sitz zurück. Adele konnte manchmal wirklich ganz schön herrisch sein. Als sie kurz zur Seite sah, bekam sie Lust, ihre Freundin ein bisschen aufzuziehen.
    “Mama sagt, man soll das nicht sagen”, frotzelte sie und strich sich das Haar aus dem Gesicht. “Es gehört sich nicht für eine Dame. Mama sagt immer, man sollte sich lieber die Nase pudern.”
    Adele grinste schief. “Dafür sagt mein Vater, dass er pissen muss wie ein Rennpferd.”
    Die Mädchen brachen in Gelächter aus, und Adele gab noch ein bisschen mehr Gas.
    “Da ist es”, rief sie kurz darauf aufgeregt, bremste ab und setzte den Blinker. “Endlich!” Sie rutschte auf ihrem Sitz hin und her. “Hoffentlich kann ich es noch so lange aushalten!”
    Mary June stockte der Atem, als sie sich vorbeugte und die undurchdringlich wirkende Wand hoher dürrer Kiefern am Rand der großen Straße musterte. Sie erkannte eine schmale Lücke, wo eine unbefestigte Straße auf den Highway traf. Der Weg führte zu einem großen schmiedeeisernen Tor, über das in schwarzem Eisen ein Wort geschrieben stand.
    Unter ihrer rosafarbenen Bluse und der Perlenkette pochte ihr Herz. Sie fuhr sich nervös mit der Zunge über die Lippen, als sie das Wort entzifferte:
Sweetgrass
.
    “Zum Teufel!”, fluchte Adele und zog die Handbremse an. “Das Tor ist verschlossen.”
    “Ich mach’s auf.”
    “Nein, man muss wissen, wie. Zum Teufel”, fluchte sie erneut und machte die Tür auf. “Bin gleich wieder da.”
    Sie hinterließ Fußstapfen im aufgeweichten Boden, als sie über den Feldweg zum Tor rannte. Während sie am Schloss hantierte, trippelte sie unruhig von einem Fuß auf den anderen. Endlich riss sie das Tor auf und rannte zurück zum Auto, sprang hinein und warf die Tür zu. Sie strich sich das verschwitzte Haar zurück, löste die Bremse und fuhr mit durchdrehenden Reifen an.
    “Als hätte nicht einer meiner faulen, nichtsnutzigen Brüder uns das Tor aufmachen können. Als ob sie nicht wüssten, dass wir heute kommen. Ich verstehe gar nicht, wieso es überhaupt abgeschlossen war. Das hat Tripp bestimmt absichtlich gemacht, nur um mich zu ärgern.”
    Mary June antwortete nicht. Adele redete ohnehin vor allem mit sich selbst, und wahrscheinlich würden die armen Brüder demnächst eine gehörige Schimpfkanonade über sich ergehen lassen müssen.
    Stattdessen blickte Mary June aus dem Fenster, ganz gebannt von dem, was sie hinter der schattigen Straße ausmachen konnte. Als Tochter eines Farmers wusste sie nur zu gut, wie viele Stunden harter Arbeit der Unterhalt eines so ordentlichen Pfirsichgartens bedeutete, an dem sie gerade vorbeifuhren. Weiter entfernt erkannte sie ein gutes Dutzend Kühe, die faul im Gras lagen, und dahinter das saftige, geheimnisvolle Marschland.
    Aber als Adele auf die Eichenallee bog, waren die praktischen Überlegungen der Farmertochter mit einem Mal wie weggewischt. Atemlos wie schon zahllose Besucher vor ihr starrte sie auf das romantische, malerische Herrenhaus am Ende der Allee stolzer Lebenseichen, die voller Louisianamoos hingen.
    All die Geschichten und Sagen, die sie in der Schule gelesen oder die ihr Daddy ihr erzählt hatte, kamen ihr wieder ins Gedächtnis und umgaben das alte Haus, das so malerisch am Ende der Allee auftauchte, mit einer geheimnisvollen Aura. Während ihr Herz laut klopfte, waren ihre Gedanken weit weg, berauscht von ihrem Glück,

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