Sweetgrass - das Herz der Erde
denn?”
“Alle sind irgendwie wieder nach Hause zurückgekehrt.”
Sie sahen sich in stillem Einverständnis an, und sie freute sich, als er nickte.
“Sogar Nona. Es ist wie in alten Zeiten”, fügte sie hinzu.
“Und doch ist es ganz anders”, entgegnete er leise.
“Stimmt”, gab sie seufzend zu. “Es ist schrecklich, Daddy so zu sehen.”
Morgan rieb sich den Nacken und griff nach der Flasche. Als er ihren Blick sah, hielt er sie hoch. “Willst du auch einen?”
Sie verzog das Gesicht und sagte etwas überheblich: “Nein, danke.”
“Wie du willst.” Er goss sich gerade ein Glas ein, als Nona ins Zimmer kam.
“Ich wusste doch, dass das dein Wagen ist da draußen!”, rief sie.
Nan lief durchs Zimmer und gab Nona einen Kuss auf die Wange. Sie nahm den Hauch von Vanille wahr, der Nona immer umgab. Als sie sich von ihr löste, sah sie, wie Nona Morgan anstarrte.
“Es ist ein bisschen zu früh am Tag für einen Bourbon”, sagte sie streng.
Nan sah Morgan über die Schulter hinweg triumphierend an.
“Stell das Gift beiseite, bevor du mir keine Hilfe mehr bist”, fügte Nona hinzu, und der Tonfall ihrer Stimme ließ keinen Zweifel daran, dass sie keinen Widerspruch duldete. “Ich brauche dich. – Und dich auch”, erklärte sie an Nan gewandt. “Ich muss ein paar Möbel auf den Dachboden bringen. Kristina hat gesagt, dass euer Daddy bald aufstehen wird und in einen Rollstuhl kommt, und dafür müssen wir Platz schaffen. Wie wär’s denn, wenn du deine beiden kräftigen Jungs anrufst, damit sie sich gleich auf den Weg machen? Und wenn ihr das erledigt habt, muss im Garten dringend was gemacht werden, und auch ein paar Fenster müssen geputzt werden. Dieser Köter hat im Zimmer eures Vaters jedes einzelne Fenster vollgesabbert, sodass man gar nicht mehr durchschauen kann. – Und nun beeilt euch. Die Sonne wird euretwegen nicht länger scheinen!”
Sie sah die Geschwister auffordernd an – ein Blick, den sie aus Kindertagen nur allzu gut kannten und bei dem sie schon damals sofort gehorcht hatten. Nona drehte sich um und stürmte aus dem Zimmer.
Morgan setzte vorsichtig sein Glas ab und rappelte sich auf.
“Ja, es ist wirklich wie in alten Zeiten”, sagte er und kam um den Schreibtisch herum.
“Ich kann es kaum erwarten, Nona auf meine beiden Jungs loszulassen”, entgegnete Nan und verzog den Mund zu einem Grinsen, als sie nach dem Telefon griff.
8. KAPITEL
D urch den Bau der Cooper River Bridge 1929 und des Highway 17 wurde die Strecke quer durch Mount Pleasant zu einer wichtigen Nord-Süd-Verbindung. Damals begannen die Korbmacher, ihre Waren an Ständen entlang der Straße für Touristen und Sammler feilzubieten
.
Ein paar Nächte später, als es im Haus ruhig geworden war, schlüpfte Mama June in ihren Bademantel und zog die Hausschuhe an. Unter Morgans Tür war das bläuliche Licht des Fernsehers erkennbar. Lautlos schlich sie vorbei und lief die Treppe hinunter in Prestons Zimmer. Das Mondlicht warf Schatten an die Wand. Blackjack hob den Kopf, als sie eintrat. Als er sie erkannte, klopfte er mit seinem Schwanz rhythmisch auf den Fußboden. Nach einer Weile legte er seinen breiten Kopf wieder auf die Vorderpfoten.
Preston hatte die Augen geöffnet und winkte sie an seine Seite. Mama Junes Herz pochte wie wild, als sie ans Bett trat und an den Grund ihres Kommens dachte. Diese Aufregung war lächerlich, dachte sie. Fast siebenundvierzig Jahre war sie inzwischen mit Preston verheiratet, und trotzdem konnte sie sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal im selben Bett mit ihm geschlafen hatte.
Das waren keine Vertraulichkeiten, die eine Frau ihres Alters normalerweise mit einer jungen Frau wie Kristina teilte. Kristina konnte nicht verstehen, was es bedeutete, wenn sie Mama June aufforderte, mit ihrem Mann über Körperkontakt zu kommunizieren. Du lieber Himmel, auf diese Art und Weise hatten Preston und sie seit Jahren nicht mehr kommuniziert!
Aber trotzdem, sie liebte ihn. Und auch wenn es Zeiten gegeben hatte, in denen sie ihn nicht einmal gemocht hatte, hatte das an ihrer Bindung und ihrer Liebe nichts geändert. Das schärfte sie sich noch einmal ein, als sie die Kordel ihres Bademantels festzog und näher kam.
“Ich konnte nicht schlafen”, flüsterte sie und kam näher. “Du auch nicht?”
Er winkte ein Nein mit seiner Hand.
“Soll ich dir Gesellschaft leisten?”
Er blinzelte zweimal.
“Wenn du nichts dagegen hast, setz ich mich ein bisschen her”,
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