Sweetgrass - das Herz der Erde
ab. Er bewegte sich mit der Selbstverständlichkeit desjenigen, der hier zu Hause war, auf sie zu. Als er sie sah, rief er Hallo und winkte ihr zu. Es war ihr ein bisschen unangenehm, dass er sie dabei ertappt hatte, wie sie geistesabwesend Löcher in die Luft gestarrt hatte, und sie winkte schüchtern zurück.
Hastig löste sie sich von dem Baum und machte ein paar Schritte auf den jungen Mann zu, wobei sie fieberhaft überlegte, was sie sagen könnte. Doch bevor sie überhaupt
irgendetwas
sagen konnte, stolperte sie über eine dicke Wurzel, die aus dem Boden ragte. Sie strauchelte und fiel nach vorne. Erschrocken schrie sie auf und riss – verzweifelt nach Halt suchend – die Arme hoch.
Ihre Hände landeten auf einer festen muskulösen Brust, und sie spürte, wie sie jemand am Ellbogen festhielt.
“Puh, das war aber knapp!”
Sie atmete durch, rappelte sich auf und strich ihre Hose glatt. Sie spürte, dass ihr Gesicht flammend rot war. Als sie schließlich aufsah, blickte sie in ein fein gezeichnetes Gesicht, das dem Adeles sehr ähnlich war. Der junge Mann hatte dieselbe gerade Nase und markanten Wangenknochen, und sein welliges Haar war modisch kurz geschnitten. Aber sie bemerkte sofort, dass seine Augen ganz anders als die Adeles waren – seine Augen waren unglaublich blau.
“Ich … tut mir leid, dass ich so ungeschickt bin”, stotterte sie. “Ich glaube, ich habe nicht recht aufgepasst.”
Er machte höflich ein paar Schritte zurück und stemmte seine Hände in die Hüften. “Nur keine Bange. Diese blöden alten Wurzeln warten nur darauf, dass jemand über sie stolpert. Da kamst du gerade recht.”
Freundlich lächelte er sie an, was seinem gut aussehenden Gesicht einen ganz besonderen Charme verlieh. Wenn er lächelte, sprühten seine Augen Funken, und Mary June konnte gar nicht anders, als auch zu lächeln.
Er streckte seine Hand aus. “Ich bin Preston. Adeles Bruder. Du musst Mary sein.”
“Mary June”, verbesserte sie und ergriff seine Hand. Sie erkannte augenblicklich die Hand eines Farmers, schwielig von der harten Arbeit und rissig vom vielen Schrubben. Ihre Nervosität ließ ein bisschen nach, und sie entspannte sich sichtlich.
“Du bist wohl allein gelassen worden”, meinte er. “Adele sollte eigentlich wissen, dass man einen Gast nicht einfach so stehen lässt. Ich wurde geschickt, um dich zu retten.”
Bei dieser Bemerkung musste sie lachen. Sie senkte den Blick und steckte sich eine Haarsträhne hinters Ohr. “Danke”, erwiderte sie.
Eine peinliche Pause entstand, in der er sich unsicher mit der Hand im Nacken kratzte, während sie nervös ihre Hände knetete. Schließlich murmelte er, weil ihm offenbar nichts anderes einfiel: “Tja, dann wollen wir mal das Gepäck holen.”
Als er gerade die staubige Kofferraumklappe öffnete, ging die Haustür wieder auf und Adele trat heraus, entspannt und lächelnd. Sie hatte eine attraktive ältere Frau in einem blauen Kleid untergehakt, deren Haar sorgfältig zu einem französischen Knoten zusammengesteckt war und die um den Hals und an den Ohren Perlen trug.
Mary June strich hastig ihre pastellfarbene Caprihose und ihre Bluse glatt und dankte Gott in einem Stoßgebet, dass sie an ihre Perlen gedacht hatte. Und dann folgte sie ihrer guten Erziehung und kam Mrs. Blakely entgegen, die sie lächelnd und höflich begrüßte. Sie ging freundlich auf die gewählten, ausführlichen Fragen über ihre Familie ein, über ihre Kirche und ihre Verbindung zu Adele. Als die Formalitäten erledigt waren, erschien Mr. Blakely. Er trug Jackett und Krawatte und duftete nach Tabak. Lächelnd führte er sie alle ins Haus.
Während Mary June Mrs. Blakely die Treppe hinauffolgte, warf sie einen Blick über ihre Schulter auf Preston, der mit dem Gepäck beladen hinter ihnen herkam. Sie lachte leise, als sie merkte, dass er sie verstohlen ansah – aber diesmal mit mehr als nur Bewunderung.
* * *
Was für ein Sommer! Sie kosteten jeden Tag aus, locker und entspannt. Mary June fand, dass Preston ein unglaublich netter Kerl war. Obwohl er zwei Jahre älter war und gerade seinen Collegeabschluss gemacht hatte, begleitete er sie und Adele auf ihren Ausflügen.
Das größte Erlebnis für Mary June war jedoch der Tag gewesen, als sie mit Preston zum Angeln hinausgefahren war.
Preston war vor Sonnenaufgang aufgestanden und in Adeles Zimmer geschlichen, um die Mädchen zu wecken.
Vorsichtig kitzelte er sie an den Zehen. Während Mary June sofort
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