Sydney Bridge Upside Down
zu organisieren. Und Caroline hätte ihre Ferien bestimmt nicht so genossen, wenn meine Mutter da gewesen wäre, sie hatte eine Art, finster dreinzuschauen, die allen Anwesenden die Laune verdarb. Gut, dass sie nicht hier ist, dachte ich.
Wir waren bereits seit dem späten Vormittag auf der Lichtung, Mrs Kelly fand, dass ein Picknick erst dann ein richtiges Picknick war, wenn man den ganzen Tag ausnutzte. Mr Kelly und der Reo waren zu Hause, es war ja Samstag, er hatte uns bis zum Strand unterhalb der Lichtung gefahren. Wir mussten nur die Trasse überqueren. Mr Kelly und Papa waren eine Stunde bei uns geblieben, bis sie festgestellt hatten, dass das Bier alle war. Sie versprachen, bald wiederzukommen, und stiegen in den Reo. Mich störte es nicht, dass sie sich Zeit ließen, sie hatten ohnehin nur über ihre Aufenthalte in der Stadt gesprochen, Aufenthalte, die eine Ewigkeit her waren, und sie hatten dabei immer wieder zu Caroline herübergeschaut, sie sollte das auf jeden Fall hören. Es war schon merkwürdig. Selbst Mr Kelly versuchte die ganze Zeit, Caroline zu beeindrucken. Warum sollte Caroline sich dafür interessieren, was er vor langer Zeit einmal in der Stadt gemacht hatte? Sie war doch viel zu jung. Vielleicht war es ihr Lächeln, das ihn verwirrte. Warum guckte sie nicht einfach mal böse, wenn alte Männer wie Papa oder Mr Kelly sich vor ihr aufplusterten?
Ich hatte mir ein wenig Sorgen gemacht, dass die kleinen Kellys uns mit ihrem Balgen und Gekreische das Picknick versauen würden, aber sie benahmen sich ganz gut. Sie spielten die ganze Zeit in den Büschen und unten am Strand, wo sie über die Felsen kletterten. Ich konnte sie wie üblich völlig ignorieren.
»Wollt ihr Jungs nicht ein bisschen rumlaufen und spielen?«, fragte Mrs Kelly, als wir mit Fleischpasteten, Butterbroten und Obstkuchen fertig waren. Sie sah mich nur an, sie glaubte wohl, ich wäre derjenige, der Dibs und Cal davon abhielt, spielen zu gehen.
»Ich will schwimmen gehen, aber mir liegt das Essen noch zu schwer im Magen, das ist gefährlich«, sagte ich.
»Da brauchst du dir keine Gedanken zu machen«, sagte Mrs Kelly, »so viel hast du ja nicht gegessen.« Es war offensichtlich, dass sie versuchte, mich loszuwerden.
»Ich will es lieber nicht drauf ankommen lassen.« Ich wusste, dass Caroline früher oder später schwimmen gehen würde, sie trug schon den Badeanzug unter dem Kleid. Ich hatte ihr zugesehen, als sie ihn angezogen hatte.
»Dann lauf schon mal los, Dibs«, sagte Mrs Kelly, sie glaubte wohl, ich würde ihm folgen. »Du bist doch sonst immer der Erste, der vom Tisch aufsteht.«
»Blöde alte Schlampe!«, flüsterte Dibs mir zu.
»Dibs!«, rief Mrs Kelly und lief dunkelrot an.
»Komm, Kumpel«, sagte ich zu Dibs. »Wir wollen ihr doch nicht das Picknick verderben. »Kommst du mit, Caroline?«
»Jetzt lasst sie mal in Ruhe«, sagte Mrs Kelly, »Caroline und ich wollen uns ein bisschen unterhalten. Geht ihr nur spielen.«
Nicht zu erkennen, ob Carolines Lächeln mir galt oder Mrs Kelly. Sie würde bestimmt bald genug von Mrs Kelly haben, sie wollte ja auch zum Strand.
»Ich komme gleich noch mal und hole meine Klamotten«, sagte ich.
Kopfschüttelnd sah Mrs Kelly mich an. Sie hatte sich solche Mühe mit dem Picknick gegeben, ihre Laune war nicht die beste. Meine Mutter war genauso, sie war immer schlecht gelaunt, wenn sie viel zu tun hatte, zum Beispiel als sie uns den großen Vorrat an Ingwerbrause gemacht hatte. Das war viel Arbeit, aber gereicht hatte es trotzdem nicht – wir hatten nur noch fünf Flaschen.
»Komm, wir suchen Krebse«, sagte Cal, als wir die Lichtung hinter uns gelassen hatten. Er schien ganz zufrieden, dass wir fortgeschickt worden waren. »Die Kleinen haben gesagt, dass sie welche auf den Felsen gesehen haben.«
»Glaub ich nicht«, sagte ich, weil ich mich nicht zu weit von der Lichtung entfernen wollte.
»Wir können ja mal gucken«, sagte Cal. »Komm, Dibs.«
Sie rannten über die Felsen davon, ich lief hinterher. Aber ich dachte nicht an Krebse, ich dachte an Caroline.
Ich dachte an unseren Strandspaziergang am Tag zuvor. Es war aufregend gewesen, und auch merkwürdig. Wenn ich jetzt darüber nachdachte, wusste ich genau, welchen Augenblick ich niemals vergessen würde. Dabei gab es genug andere Momente, die mir hier und jetzt in Calliope Bay etwas bedeuteten, die aber, anders als der eine, der entscheidende Augenblick, nicht in der Ewigkeitsabteilung meines
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