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Sydney Bridge Upside Down

Sydney Bridge Upside Down

Titel: Sydney Bridge Upside Down Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ballantyne
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sie gehört«, sagte sie, »ich weiß genau, was das für eine ist. Sie meint nichts ernst. Sie ist die unehrlichste Person, die ich je gesehen und gehört habe.«
    Ich war so erstaunt über diese Aussage, dass ich mir die Ohren zuhielt und mich rückwärts in den Sand fallen ließ. Ich schloss die Augen und streckte die Beine in die Luft. »Juhuuu!«, rief ich.
    Als ich die Augen wieder aufmachte, war Susan schon am Zaun, sie kletterte gerade durch das Loch. Sie lief über die Pferdekoppel an der Fabrik und ging zügig in Richtung Trasse.
    Ich rannte ihr hinterher. Kurz vor dem Zaun stach mir ein plötzlicher, scharfer Schmerz in die Ferse, ich hatte, während ich Susan Prosser im Blick behielt, ein Stück Stacheldraht übersehen. Ein Dorn hatte sich tief in mein Fleisch gegraben. Ich ließ mich ins Gras fallen und sah mir die blutige Wunde an. Der Fuß pochte, der Stacheldraht war rostig gewesen, ich wusste, dass eine Blutvergiftung drohte.
    Ich schimpfte auf Susan Prosser und hinkte zur Düne zurück. Am Hang bemühte ich mich, nicht mit der Ferse aufzutreten, sobald ich einsackte, hinterließ ich Blutspuren im Sand. Ich stellte mir vor, wie sich das Gift in meinem Körper ausbreitete, wie es mich langsam lähmte. Bald schon fühlte sich der Fuß steif an, irgendwie taub.
    Ich schleppte mich über den Strand, stieg über die Gleise und humpelte zur Lichtung. Auf der Düne hatte ich mir noch überlegt, dass ich Caroline bitten könnte, die Wunde zu verbinden, doch als ich am Strand war, entdeckte ich den Reo, Papa und Mr Kelly waren zurückgekehrt, und auf einmal schien es mir unwichtig, wer mich verarztete, Caroline oder Mrs Kelly. Mrs Kelly hatte bestimmt mehr Übung. Von Caroline war eher nicht zu erwarten, dass sie sich geschickt dabei anstellte. Sie saß wohl hinter Papa und Mr Kelly, ich konnte sie vom Strand aus nicht sehen. Cal und Dibs und die anderen Kinder sah ich auch nicht.
    Als ich in Hörweite der Lichtung war, sagte ich ein paar Mal »Autsch«. Ich hatte gehofft, Caroline würde mir entgegenlaufen und mich fragen, was los war, aber ich wurde enttäuscht. Sie war nämlich überhaupt nicht da. Nur Papa und Mr und Mrs Kelly waren da, das war eine böse Überraschung. Ich sah mich um, den Fuß hatte ich schon beinahe vergessen. Caroline war nirgends zu sehen.
    »Was machst du denn für ein Gesicht«, fragte Papa.
    Ich zeigte den Fuß her. Mrs Kelly war ganz meiner Meinung, die Wunde musste unbedingt versorgt werden, um Komplikationen vorzubeugen. Sie klebte ein Pflaster darauf.
    Inzwischen war mir schwindlig geworden, wahrscheinlich wegen der prallen Sonne. Mrs Kelly fand, meine Sommersprossen sähen wie schwarze Johannisbeeren aus, so bleich sei ich. Ich musste mich im Schatten auf die Erde legen. Ich wusste immer noch nicht, wo Caroline und die anderen waren.
    Ich war bedrückt und ärgerte mich maßlos über mich selbst. Alles war schiefgelaufen.
    In solchen Situationen konnte es immer passieren, dass ich in mein schwarzes Loch stürzte. Ungefähr ein- oder zweimal im Jahr kam es vor, dass alles um mich herum ganz düster wurde, seit ich denken konnte, war das so. Wenn irgendetwas schiefging, wenn ich mich machtlos fühlte, wenn ich nichts mit mir anzufangen wusste. Nichts reizte mich mehr, wenn es über mich kam, am liebsten hätte ich jeden, der mir über den Weg lief, verprügelt, und es hätte mir überhaupt nichts ausgemacht, im Gegenzug ebenfalls verprügelt zu werden, und zwar so, dass ich nichts mehr sehen, nichts mehr hören, meine Glieder nicht mehr spüren konnte. Am liebsten wäre es mir gewesen, wenn ich ganz das Bewusstsein verloren hätte. Manchmal beschimpfte ich mich selbst, ich beschimpfte mich mit den dreckigsten Wörtern, die mir einfielen, manchmal, wenn Papa nicht in der Nähe war, sogar laut. Um Dibs und Cal kümmerte ich mich nicht, sollten sie es ruhig hören. In diesen Phasen glaubte mir ohnehin niemand etwas. Meine Eltern schimpften ständig, und mein Vater, der es satthatte, sich von mir anlügen zu lassen, drohte mit der Peitsche. Ich hasste sie alle in solchen Momenten, alle im Haus, und ich hasste vor allem mich selbst. Mehr als einmal kam mir der Gedanke, mich von der Mole zu stürzen, vom Dach der Fabrik. Meistens dauerten die schwarzen Löcher, wie ich sie nannte, etwa zwei bis drei Tage, wenn ich rauskam, war ich immer heilfroh, dass ich noch lebte. Am schlimmsten war die Einsamkeit – was wusste Susan Prosser eigentlich von Einsamkeit? –, besonders,

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