Symbiose Herbstgewitter
entgehen und bei deren Maßnahmen die ostasiatische Mentalität berücksichtigen. Die Raumpiloten der Himmelsstürmer-Garde waren harte Männer. Sie pflegten blitzschnell zu kombinieren und eine Lösung zu finden, die im Interesse der Allgemeinheit richtig war, auch wenn man anschließend moralische und menschliche Bedenken anmeldete.
Das hieß mit anderen Worten: Wenn wir unsere mit Gefangenen und Wachsoldaten besetzte Maschine durch die Bedrohung der Piloten zur Landung zwangen, würden die Himmelsstürmer in dem Augenblick das Feuer eröffnen, wenn sie keine andere Möglichkeit mehr sahen. Und das auch in dem Fall, wenn die eigenen Leute davon betroffen wurden.
Darauf konnten wir es nicht ankommen lassen.
Schließlich unterbreitete ich Huang-Ho Feng einen Vorschlag. Reling lehnte sich erblassend in seinem Sessel zurück, und Huang-Ho Feng wischte sich den Schweiß von der Stirn. Ich hatte ihn noch nie transpirieren sehen. Jetzt geschah es!
Kao sagte kein Wort mehr, bis wir schließlich die Sitzung beendeten. Da meinte er schwer atmend:
»Wie sagt man in Volksmund zu einem besonderen Braten Ih rer Art?«
»Teufelsbraten?« vermutete Hannibal.
»Das wollte ich sagen. TS-20, ich hoffe, daß wir immer Verbündete bleiben.«
»An mir soll es nicht liegen. Ich habe ohnehin nie verstanden, warum sich die Vertreter der Menschheit unbedingt gegenseitig erschießen müssen. Es geht auch anders. Ich möchte Ihr Freund sein, Kao. Vergessen Sie das bitte nie.«
Gegen achtzehn Uhr am 23. August 2011, kurz vor dem Abendessen, fiel die Entscheidung. Huang-Ho Feng und seine engsten Mitarbeiter hatten sich entschlossen, auf die Vorschläge der GWA einzugehen.
Über das damit verbundene Risiko war man sich bewußt.
Wir hatten lediglich das Leben von zwei aktiven Schatten zu riskieren, nämlich meines und das von Hannibal.
Bei Huang-Ho Feng ging es nicht nur ums Leben, sondern darüber hinaus um das Weiterbestehen seines Geheimdienstes in der von ihm geprägten Form. Für seine Regierung ging es um internationale Verwicklungen vielfältiger Art.
Erstaunlicherweise schien die Weltöffentlichkeit die anarchistisch-terroristische Tätigkeit der ehemaligen Calthur-Priester bereits vergessen zu haben. Zumindest aber wurde sie verniedlicht.
Über das grausame Schicksal des jählings gealterten Dr. Ange lo Percelli konnten wir noch keine Berichte freigeben. Das hätte wieder zu einer Hexenjagd wie im Fall des Wissenschaftlers To terlay geführt.
Zu allem Überfluß hätten wir unseren Verdacht nicht einwandfrei beweisen können, ohne eine als streng geheim geltende Fülle von Einzelheiten preiszugeben.
Wir hätten mit der Zeitreise in die Atlantische Epoche begin nen und mit den Einsätzen als Toterlay-Nachahmung enden müssen. Selbst dann wäre einigen Milliarden Menschen noch nicht klargewesen, worum es eigentlich ging.
Um 18:03 Uhr ertönten in allen Zellen der Haftanstalt die Gongs. Kao Ming-Hoa meldete sich über die Rundsprechanlage und teilte den Häftlingen mit, die Überstellung in die Untersuchungshaftanstalt der Hauptstadt würde am kommenden Tag stattfinden.
Kao machte es kurz. Proteste überhörte er. Das wären seine Befehle.
Ein telepathischer Impulsschwall aus dem Zellentrakt der unbedeutenden Calthur-Mitglieder plagte uns. Wir versuchten nicht, ihn auszuwerten. Diese Leute wußten wirklich nichts, was für uns wichtig sein konnte.
Die ehemaligen Führungskräfte konnten wir ohnehin nicht belauschen.
Hannibal meinte bei dieser Gelegenheit sarkastisch, für die mutantenfeindlich eingestellten Chefs der anderen Nachrichtendienste und auch für einige unserer Leute wäre es doch vorteilhaft, sich ebenfalls immunisieren zu lassen.
Ich winkte ab. Diskussionen dieser Art waren jetzt nicht mehr angebracht.
Etwa eine Viertelstunde später öffneten sich die stabilen Git tertüren der Zellen.
Wir traten auf den breiten Gang hinaus, stellten uns in Reih und Glied auf und marschierten anschließend durch die Sicherheitszone zum Speisesaal hinüber.
Chinesische Wachtposten waren zwar nicht zu sehen, aber sie beobachteten uns dennoch. Sie vernahmen jedes Wort und bemerkten auch jede Geste.
Die in den Wänden und Decken eingebauten Automatwaffen wurden fernsteuertechnisch bedient. Eine Revolte wäre im Keim erstickt worden.
Ich sah flüchtig zu Haskin Davanger hinüber.
Er warf mir beschwörende Blicke zu, wagte es jedoch nicht, näher als erlaubt an uns heranzukommen. Immerhin versuchte er, gleich nach uns
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