Symphonie der Herzen
einen solch schnurgeraden Kurs über den See, dass Louisa ehrlich verblüfft war; zumal James sich während der Fahrt nicht ein einziges Mal umdrehte. Irgendwann, nachdem sie bereits geraume Zeit gerudert waren, brannte die Sonne so heiß auf seine Schultern hinab, dass er spontan sein Hemd auszog. »Wenn du willst«, bot er Louisa an, »rudere ich uns bis ganz ans Ende der Seenkette.«
Fasziniert beobachtete Louisa das Spiel der Muskeln unter seiner nackten Haut. »Oh ja, gerne.«
»Zu rudern ist ziemlich anstrengend«, erklärte James. »Aber es ist auch gut für den Geist. Denn der gleichmäßige Rhythmus hat etwas derart Beruhigendes an sich, dass man am Ende beinahe eins wird mit seiner Umgebung.«
Louisa seufzte leise, denn auch für sie hatte diese Fahrt etwas sehr Entspannendes, während James’ lange und regelmäßige Ruderzüge sie rasch und fast vollkommen lautlos über den See trugen. Aufmerksam betrachtete sie die Form seiner kräftigen Hände und stellte fest, dass er die Griffe der Ruder nach jedem Zug ein Stück nach unten drückte, woraufhin die Blätter für einen kurzen Moment aus dem Wasser aufstiegen und über die Oberfläche hinwegschwebten, ehe er sie abermals eintauchen ließ. Das Rudern war
James offenbar bereits zur zweiten Natur geworden, und seine Technik war sehr effektiv.
»Vorsicht, hinter dir sind Enten!«, rief Lu plötzlich und stieß einen hörbaren Seufzer der Erleichterung aus, als diese gelassen einfach an dem Boot vorbeipaddelten, ohne dass ihnen auch bloß eine einzige Feder gekrümmt worden wäre.
»Das sind Haubenenten«, erklärte James ihr. »Die leben das ganze Jahr hier.«
»Und sie haben Junge! Sind die aber süß.«
»Ja, sehr viele Tiere haben zu dieser Zeit Junge. Das ist der Lauf der Natur.«
Louisa blickte hinab in das kristallklare Wasser und stellte fest, dass es vor lauter winzigen Fischen nur so wimmelte. Doch schon hatten sie den ersten der drei Seen verlassen, und das Boot glitt hinüber in den zweiten. Dort begegneten sie einer ganzen Schar von Schwänen.
»Du hattest recht, James«, sagte Louisa. »Die Schwäne sind wirklich majestätisch. Und dabei sind ihre Küken so winzig! Die Kleinen sehen aus wie klitzekleine graue Federbällchen.«
»Richtig, doch noch ehe der Sommer vorüber ist, werden sie den grauen Flaum gegen ein schlicht-braunes Gefieder eingetauscht haben. Weiß werden sie erst, wenn sie etwa zwei Jahre alt sind.«
»Du bist ja ein echter Naturfreund«, neckte sie ihn. »Aber das gefällt mir. Vor allem bin ich froh, dass du keiner dieser passionierten Jäger bist.«
Nun, ich jage vielleicht keine Tiere, dachte James. Aber wie jedes männliche Wesen auf dieser Welt bin auch ich auf der Suche nach einer Gefährtin. Und eines kannst du mir glauben, Louisa: Ich komme meiner Beute immer näher.
Als sie am Ende des dritten Sees angelangt waren, wendete James langsam das Boot.
»Willst du denn nicht erst einmal eine kleine Pause einlegen?«, fragte Louisa überrascht.
»Aber nein. Keiner der Seen ist länger als zweieinhalb Kilometer, zusammen also maximal siebeneinhalb Kilometer.«
»Und ich vermute mal«, lachte Louisa, »die insgesamt fünfzehn Kilometer für die Hin- und Rückfahrt wären für dich auch dann noch ein Kinderspiel, wenn man dir einen Arm auf den Rücken binden würde, nicht wahr?«
»Jetzt übertreibst du aber.« Auch James grinste. »Dann würden wir ja konsequent im Kreis fahren.«
Nachdenklich vertiefte Louisa sich wieder ganz in die Betrachtung seines Muskelspiels, als ihr plötzlich der Traum einfiel, den sie in der vergangenen Nacht gehabt hatte. Ich hatte mich in seine Arme geschmiegt, erinnerte sie sich, und seine Umarmung gab mir das Gefühl, wunderschön und begehrenswert zu sein. Hastig senkte sie den Blick und starrte auf den Boden des Ruderbootes, um sich selbst davor zu bewahren, am Ende doch noch der Magie dieses schier unwiderstehlichen irischen Teufels zu verfallen. Doch obgleich sie ihn nun nicht mehr sah, sondern nur noch auf den Boden zu ihren Füßen starrte, so spürte sie doch auch weiterhin den gleichmäßigen Rhythmus seiner Ruderzüge, hörte das leise Plätschern des Wassers, und fast schien es, als ob auch ihr eigener Herzschlag sich diesem beschwörenden Rhythmus anpasste, während Abercorns Nähe sie geradezu verzauberte.
Erst als Lu den Blick irgendwann wieder hob und nicht weit von sich entfernt das Bootshaus entdeckte, zerstob die magische Stimmung.
Langsam steuerte James das
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