Symphonie der Herzen
sie noch ein kleines Mädchen war, hatte sie vor allen geschworen, dass sie sich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen wolle, und zwar als Tänzerin. Dann jedoch, als sie ungefähr zwölf war, erfuhr sie, dass es sich einfach nicht schickt, wenn die Tochter eines Herzogs sich für Geld auf einer Bühne präsentiert. Die arme Lu war außer sich vor Kummer. Und mindestens das gesamte folgende Jahr hat sie den Kopf hängen lassen, wenn das Gespräch wieder auf ihre Zukunftspläne kam.«
»In jedem Fall scheint es eine ganze Reihe von Mitbewerbern um ihre Hand zu geben. Ich nehme mal an, dass ich Lord Kerry ebenfalls auf die Liste setzen muss?«
»Unsinn. Macht Euch seinetwegen mal keine Gedanken, James. Louisa hat doch längst begriffen, dass er Gefühle für sie hegt, und wird ihn in nächster Zeit sicherlich erst mal nur noch mit der Kneifzange anfassen, um es mal salopp auszudrücken.«
Abercorn grinste. »Und selbst wenn. Konkurrenz hat mich noch nie geschreckt. Im Gegenteil, zumeist spornt mich das erst recht an, und ich entwickle noch mehr Siegeswillen.«
Der Walzer endete, und galant führte Claud Lu zurück zu James und ihrem Bruder. Lu rechnete bereits fest damit, dass Abercorn sie zum nächsten Tanz auffordern würde, und freute sich schon darauf, ihm einen Korb zu geben. Doch nichts dergleichen geschah, denn James blieb einfach stehen und unterhielt sich weiter mit Lord John. Enttäuscht sah sie ihn an.
Kurze Zeit später verbeugte der Graf von Edgecombe sich vor ihr und bat sie, mit ihm zu tanzen. Louisa lächelte etwas bemüht und erlaubte ihm, sie auf die Tanzfläche zu geleiten. Dabei musste sie all ihre Willenskraft aufbringen, um nicht dauernd auf sein fliehendes Kinn zu starren. Der Arme!, seufzte sie im Stillen. Aber man kann sich seine Ahnen eben nicht aussuchen. Unwillkürlich musste sie an Abercorns kantig-maskulines Kinn denken und hätte sich dafür nur wenig später am liebsten selbst geohrfeigt. Der muss sich um sein Aussehen jedenfalls keine Sorgen machen!, dachte Lu. Jeder sieht, dass er offenbar von einer langen Reihe höchst dominanter Iren abstammt.
Kaum dass irgendwann auch dieser Walzer endete, tauchte vor Louisa wieder der Graf von Winterton auf. Wie angenehm, endlich mal wieder ein hübsches Gesicht vor sich zu haben, dachte sie, und nahm seine Aufforderung dankend an.
»Ich bin ein großer Bewunderer Eures Onkels«, raunte Winterton, augenscheinlich bemüht, ein wenig Konversation zu betreiben. »Der Herzog von Richmond, Lord Lennox, war ein ganz außergewöhnlicher Kricketspieler.« Damit rückte er noch ein Stückchen näher an Lu heran, ganz so, als wollte er ihr ein Geheimnis verraten, und erklärte: »Übrigens haben er und ich eine ganze Menge gemeinsam. Lennox hat für Sussex gespielt, und auch ich spiele für Sussex! Außerdem war auch er ein rechtshändiger Schlagmann, ebenfalls genau wie ich.«
»Ist ja unglaublich!« Louisa gähnte verstohlen, während ihr Blick ins Leere ging. Der Ehemann ihrer Tante Charlotte war schon vor über zehn Jahren gestorben, und selbst, als er noch lebte, hatte Louisa ihn nicht ein einziges Mal spielen sehen. Zumal sie Kricket ohnehin nur mit ihren Brüdern assoziierte, die die harten hölzernen Schläger aber meist dazu zweckentfremdeten, um sich gegenseitig Streiche zu spielen. Und überhaupt dachte sie bei diesem Sport eher an ein ziemlich raues Vergnügen statt an den hehren Wert, den offenbar der gute Winterton ihm zumaß.
Als Georgy schließlich in den Ballsaal zurückkehrte, hielt sie als Erstes nach Lord Burlington Ausschau. Und sie hatte Glück und entdeckte ihn sofort, sodass sie sich zügig einen Weg durch die Menge bahnte, bis sie schließlich direkt neben ihm stand. Angestrengt überlegte sie, was sie denn jetzt bloß sagen sollte, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen. Plötzlich fiel ihr wieder ein, was Louisa ihr erst an diesem Nachmittag erklärt hatte, und säuselte: »Hallo, William. Schön, Euch wiederzusehen. Wie ich gehört habe, ist der Herzog von Devonshire von Premierminister Grey zum Schatzkanzler ernannt worden?«
»Ja, so ist es, Lady Georgy. Die führenden Familien aus dem Kreise der Whigs haben endlich wieder die Macht erlangt.« Neugierig musterte er sie einmal von Kopf bis Fuß. »Würdet Ihr gerne mit mir tanzen? Ich muss sagen, unser Zusammenspiel auf Eurem Debütantinnenball ist mir lebhaft in Erinnerung geblieben.«
Mit einem koketten Blick ließ sie sich in seine Arme sinken. Ihr möchtet mich wohl
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