Symphonie der Herzen
weiß, dass eine so glückliche Ehe nur den wenigsten Frauen beschieden ist. Tante Susans Ehemann hat sich sogar von ihr scheiden lassen und ihr dann auch noch die Kinder entrissen.«
»So schlimm ist es nun auch wieder nicht«, beschwichtigte Johnny sie. »Und wenn du dich nicht ganz dumm anstellst, dann wickelst du deinen Mann sowieso um den kleinen Finger. Schau dir deine eigene Mutter an. Ich wette, in neunzig Prozent der Fälle setzt sie ihren Kopf durch und nicht unser Vater.«
»Das mag ja alles sein. Allerdings vergöttert er sie ja auch regelrecht. Darum kann er ihr auch keinen Wunsch abschlagen.«
»Und damit hast du dir die Antwort auf die Frage, was eine glückliche Ehe ausmacht, gerade selbst geliefert! Finde auch du einen Mann, der dich anbetet, und schon ist die Sache klar.« Nachdenklich ließ er einmal den Blick durch den Saal schweifen, als er plötzlich James Hamilton entdeckte sowie dessen Bruder Claud. »Wenn man vom Teufel spricht...«, murmelte er wie zu sich selbst.
»Das kannst du laut sagen!« Louisa reckte das Kinn und wandte sich ohne zu zögern an Abercorn. »Ja, was sehe ich denn da? Was machen denn die Torys auf dem Ball des Premierministers?«
»Gib dich nicht dümmer, als du bist«, schalt Johnny sie. »Du weißt doch ganz genau, dass der Premierminister den Vorsitz über beide Parteien hat - sowohl über die Konservativen als auch über die Liberalen. Genauso wie er auch über beide Häuser präsidiert -über das Unterhaus genauso wie über das Oberhaus.«
»Man kann eben nicht immer Glück haben«, zischte Lu und funkelte ihren Bruder böse an.
»Dürfte ich Euch dennoch um den nächsten Tanz bitten?«, fragte Claud höflich.
Abrupt setzte Louisa ihr strahlendstes Lächeln auf und entgegnete: »Aber mit dem größten Vergnügen.«
»Mein Bruder James hat mir schon mehrfach berichtet«, erzählte Claud, »wie erfrischend er Eure kleinen Neckereien findet. Im Übrigen hat auch er selbst einen ausgeprägten Sinn für Humor.«
»Mir scheint, Ihr idealisiert Euren Bruder ein ganz klein wenig«, entgegnete Lou betont leichthin.
»Da muss ich Euch leider entschieden widersprechen!« Plötzlich wurde Claud seltsam ernst. »James ist nämlich immer wie ein Vater für mich gewesen. Ohne seinen unverbrüchlichen Rückhalt und seine Liebe hätte ich die vergangenen Jahre bestimmt nicht ertragen.«
»Ihr meint den frühen Tod Eures Vaters?«, erkundigte Lu sich vorsichtig.
»Das und vor allem die Tatsache, dass wir Aberdeen zum Stiefvater haben. Er war von jeher ein Tyrann, und nur allzu gerne hat er uns seine harte Hand spüren lassen. James dagegen hat mich immer beschützt und sogar manches Mal die Schuld auf sich genommen, wenn im Grunde ich derjenige war, der mal wieder über die Stränge geschlagen hatte. Nicht wenige der Stockschläge, die eigentlich ich hätte ertragen müssen, hat er für mich eingesteckt.« Traurig schaute er sie an. Dann aber trat in seine Augen plötzlich wieder ein Ausdruck größter Genugtuung. »Aber inzwischen hat das Blatt sich ja glücklicherweise gewendet. Heute traut dieser Schlächter sich nicht mehr, die Hand gegen uns zu erheben. Er weiß mittlerweile eben, dass wir uns im Zweifel durchaus zu wehren wissen.«
Trotz der aufgeheizten Luft im Saal überlief Lu ein Frösteln. Sie hatte von Anfang an geahnt, dass Abercorn auch eine sehr dunkle, eine gefährliche Seite an sich hatte. Er hat ein unsägliches Temperament, dachte sie im Stillen. Mag sein, dass er sich im Allgemeinen gut unter Kontrolle hat. Aber sollte er doch einmal wirklich aus der Haut fahren und die Beherrschung verlieren ... Sie schluckte. Dann hätte das für seinen Widersacher mit Sicherheit ein tödliches Ende.
Aufmerksam beobachteten Johnny und Abercorn das tanzende Paar. »Bei Eurem Bruder fühlt meine Schwester sich offenbar geborgen«, murmelte Lord John. »Ich vermute mal, weil sie genau spürt, dass er kein Interesse an ihr hat. Zeigt ein Mann ihr hingegen offen seine Zuneigung, dann meidet sie ihn ab sofort wie der Teufel das Weihwasser.«
»Das kommt daher, dass sie eine höllische Angst davor hat, dass jemand ihre Verletzlichkeit erkennt«, erwiderte James.
»Oh ja. Sie wird regelrecht panisch, wenn es um das Thema >Heiraten< geht. Und auch vom Kinderkriegen hält sie nur wenig. Sie hat einfach Angst, dass ihr Ehemann irgendwann die Kontrolle über sie erlangt. Der Gedanke, eines Tages als Ehefrau und Mutter zu enden, ist ihr von jeher ein Graus gewesen. Schon als
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