Symphonie des Lebens
Geldabhebung?«
»Ist auch geklärt.«
Carolas Augen weiteten sich. Geklärt, dachte sie und spürte, wie sie innerlich zu Eis wurde. Was weiß er wirklich? Wie kann er wissen, was mit dem Geld geschehen ist?
Kommissar Weghart schnellte nun auch aus dem Sessel. »Sie sagen, Sie wissen, wer das Geld hat?«
»Ja.«
»Und wer?«
»Das eben ist eine absolute Privatsache. Es ist alles klar und logisch und gar nicht kriminell.«
Er lügt, dachte Carola. Er kann gar nicht wissen, daß Jean das Geld abgehoben hat. Wenn er das wüßte, wenn er jemals mit Jean Leclerc gesprochen hat, wenn er diese ungeheuerliche Gemeinheit seiner Frau erfahren hat, müßte er auch wissen, daß Carola lebt. Das aber weiß er nicht, und deshalb muß alles, was er jetzt sagt, eine Lüge sein. Eine Lüge, um Carola zu schützen. Mich zu schützen, der er einen Gedenkstein im Garten setzte –
Fritz Weghart ging unruhig hin und her. Einmal blieb er kurz vor Vera Friedburg stehen und starrte auf ihre schwarzen Haare herunter. Sie ist hübsch, dachte er dabei. Nicht so faszinierend wie Carola Donani, nicht so hell, so leuchtend, so sternenhaft, aber von einer stillen, besänftigenden Schönheit, von einer Ruhe und Sanftheit, die Donani suchte und braucht. Ob er alles von sich werfen will, um zu vergessen und sich ganz dieser neuen Frau zu geben? Wenn dem so ist, sollte man wirklich nicht mehr stören und die Vergangenheit begraben sein lassen auf dem Friedhof von Starnberg. Auch wenn eine falsche Leiche unter der Grabplatte liegt.
»Ich kann Ihre Sicherheit nicht erschüttern, Herr Generalmusikdirektor«, sagte er endlich. »Ich habe auf jeden Fall mein Bestes getan.«
»Das haben Sie wirklich«, sagte Donani ohne jeden Sarkasmus. »Es mag für einen Kriminalbeamten alles ein wenig verworren aussehen – im Grunde ist es so einfach. Machen wir einen dicken Strich unter die Vergangenheit, und legen Sie die Akte Donani endlich an jenen Platz, wo sie ruhig verstauben kann.«
Kommissar Fritz Weghart verließ nach zwei Stunden die Villa Alba mit dem Bewußtsein, nicht das Geheimnis gelöst, aber eine neue Erkenntnis gewonnen zu haben: Auch Bernd Donani ist nur ein Mensch wie alle anderen. Eine Vera Friedburg begann, Carola zu verdrängen, und Donani half ihr, indem er die Tote nun auch in seinem Herzen endgültig sterben ließ.
*
An diesem Abend zog es auch Pietro Bombalo ins Kino. Er hatte von Donani einen zarten Wink dazu erhalten und ihn verstanden. »Du könntest dir mal den neuen Film ansehen«, hatte Donani gesagt. »Er soll sehr gut sein. Tu mal was für deine Bildung –« Bombalo hatte gegrinst und weise geantwortet:
»Maestro – Bombalo ist der letzte, an dem die Karre hängenbleiben soll –«
Nachdem die Kinder schliefen und Vera Friedburg sich umgezogen hatte, entfachte Donani in dem offenen Kamin ein helles Feuer, stellte seinen besten Rotwein warm und schob die schweren Ledersessel näher an das knisternde Holz heran. Er zog sich sogar um, was er abends im eigenen Haus nie tat, weil er sich auf seinen Tourneen immer wie ein männlicher Mannequin vorkam und glücklich war, in der Villa Alba so herumzulaufen, wie er es wollte. Heute zog er einen dunklen Anzug an, band einen grauen Schlips um und lockerte seine Erscheinung auf, indem er ins Knopfloch eine kleine rote Rose steckte.
Er war verblüfft, als er Vera Friedburg die Treppe herunterkommen sah, in einem enganliegenden, kurzen wundervollen Cocktailkleid aus weißer französischer Spitze, die einen faszinierenden Gegenpol zu ihrer südländisch-dunklen Erscheinung und ihren tiefschwarzen Haaren bildete.
Etwas Unausgesprochenes, eine knisternde Spannung lag zwischen ihnen, als Donani ihr die Hand küßte und sie zu dem Kamin geleitete.
Sie saßen sich eine ganze Zeit stumm gegenüber, starrten in die knisternden Flammen und vermieden es, sich anzusehen. Donani brach endlich das lastende Schweigen.
»Diesen Abend habe ich herbeigewünscht«, sagte er langsam. Er beugte sich vor, legte ein neues Holzscheit ins Feuer und lehnte sich dann zurück. Die Flammen zuckten über sein Gesicht und gaben die Falten und Runzeln unbarmherzig preis, die sich in seiner Haut gebildet hatten. Carola senkte den Kopf. Ich werde ihm nie die Wahrheit sagen können, dachte sie. Ich werde bis zum Ende meiner Tage dieses Schauspiel spielen müssen – die gute Tante Vera Friedburg, weiter nichts. Für ihn bin ich tot, ich, Carola Donani. In seinem Inneren bröckele ich ab, ich fühle es ganz
Weitere Kostenlose Bücher