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Symphonie des Lebens

Symphonie des Lebens

Titel: Symphonie des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Gegenstand, graugrün gefleckt.
    »Eine Zeltplane«, sagte Carola aufatmend.
    Sie beugte sich herunter und zuckte dann zurück. Aus der Zeltplane sahen blonde Haare heraus, der obere Teil eines Frauenkopfes, starre, gebrochene, blaue Augen.
    »Eine … eine Frauenleiche …«, sagte Leclerc dumpf.
    *
    Sie standen eine Minute stumm vor Entsetzen neben ihrem Fund und sahen sich an. Die Nässe tropfte auf die graugrüne, gefleckte Zeltplane, die blonden Haare der Toten lagen im Schmutz des Grabens, dort, wo die Zeltplane übereinandergeschlagen war, sah eine Hand hervor, schmal, blaß, mit einem dünnen Goldring und einem Stein aus Aquamarin.
    »Wir … wir müssen etwas tun …«, sagte Leclerc heiser. Das Grauen schwang in seiner Stimme mit. Er legte den Arm wie schützend um Carolas Schulter und spürte, wie heftig sie zitterte.
    »Die Polizei –«, versuchte er, gefaßter zu reden.
    »Nein –«, sie schüttelte den Kopf und starrte auf die blonden Haare.
    »Aber … Wir müssen doch …«
    »Wenn wir die Polizei rufen, werden wir als Zeugen aussagen müssen. Dann wird man erfahren, daß wir heute nacht zusammen waren …«
    Leclerc schwieg. Sie hat recht, dachte er. Und gleichzeitig schielte er zu Carola und wunderte sich. Woran sie in solchen Situationen denken kann. Sie zittert, aber im Inneren ist sie voll kalten Verstandes. So wenigstens sah er es, und er bemühte sich, Carola von der Leiche fortzuziehen.
    »Komm«, sagte er leise. »Laß uns wegfahren. Wir haben einfach nichts gesehen … Jemand anderes wird sie finden … Laß uns fahren, bevor ein anderer Wagen kommt –«
    »Sie hat blonde Haare –«, sagte Carola und umklammerte Leclercs Hand.
    »Ja.«
    »Wie ich –«
    »Chérie …«
    Sie trat wieder einen Schritt vor und beugte sich über das nasse Bündel. Plötzlich griff sie zu, faßte die Zeltplane und riß sie zurück. Der Kopf der Toten lag bloß … ein schmaler, schöner, in der Nässe rührend kindlicher Kopf.
    »Was tust du da …«, keuchte Leclerc. Er wollte Carola wegzerren, aber sie wehrte ihn ab und stieg vollends hinunter in den Straßengraben. Als sie hochblickte, sah sie in das leicht verzerrte Gesicht des Geigers.
    »Sie sieht mir ähnlich …«, sagte sie schwer atmend.
    »Komm, laß uns fahren …« Leclerc streckte beide Hände aus, um sie aus dem Straßengraben hochzuziehen. Carola schüttelte den Kopf. Ihre großen blauen Augen hatten einen unnatürlichen, fast hektischen Glanz; ein Gedanke durchglühte sie und nahm so völlig Besitz von ihr, daß alles davor um sie herum verblaßte, das Grauen verlor und das Gefühl für die Wirklichkeit auslöschte.
    »Faß an«, sagte sie hart. Leclerc schrak zusammen.
    »Anfassen?!«
    »Wir tragen sie zum Wagen.«
    »Bist du verrückt?!« Leclerc steckte als deutliche Abwehr seine Hände in die Hosentaschen. »Eben hast du noch gesagt … wenn die Polizei kommt … und übrigens soll man einen Toten nie berühren, bis die Polizei …« Er schluckte krampfhaft und wischte sich über die Stirn. Kalter Schweiß bedeckte sein Gesicht. »Komm, Chérie … laß uns schnell weiterfahren.«
    Carola schob die Zeltplane wieder über das Gesicht der Toten und umkrallte einen Zipfel des Tuches.
    »Faß an …«
    »Was du machst, ist doch falsch! Die Polizei braucht die Spuren, die Lage der Toten –«
    »Die Polizei braucht nur eine Tote!« Unheimlich klar klang das. Leclerc duckte sich wie unter einem Schlag.
    »Was … was soll das?« stotterte er.
    »Ich erkläre es dir, wenn wir sie im Wagen haben. Los, faß schon an …«
    Die Tote war schwer, wie Leichen immer schwerer erscheinen, als sie sind. Leclerc und Carola schleppten das Bündel die kurze Strecke zurück zum Wagen und schoben die Tote auf den schmalen Hintersitz des Sportwagens.
    »Und nun?« fragte Leclerc, als sie wieder im Wagen saßen. Das Gefühl, hinter sich eine Leiche zu haben, erzeugte in ihm eine würgende Übelkeit.
    Carola schwieg und fuhr an. In einen kleinen Seitenweg bog sie ein, eine Schneise, die sich im Wald verlor und für die Holzfuhrwerke angelegt war. Fast am Ende der Schneise hielt sie erst und stellte den Motor ab. Auch die Scheinwerfer schaltete sie aus bis auf das blasse Standlicht. Leclerc kroch in sich zusammen.
    »Ich weiß nicht, was das alles soll …«, sagte er tonlos. Carola drehte sich zu ihm, ihr Gesicht war von einer Entschlossenheit, die ihr selbst fremd war.
    »Liebst du mich?« fragte sie. Leclerc zuckte zusammen. Eine solche Frage in Gegenwart einer

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