Symphonie des Lebens
Paradies, das nun nicht mehr unversehrt war, nicht mehr unberührt, ein fremder junger, unbekannter Mann hatte hier gestanden oder gar gesessen, auf einem für Donani geweihten Platz … er hatte dort in dem weißen Haus geschlafen, und er hatte sich am Morgen davongeschlichen wie ein Dieb.
Donani preßte die Fäuste gegen die Schläfen und wandte sich ab. Warum brülle ich nicht, dachte er. Warum kann ich diesen inneren Druck nicht einfach wegschreien? Carola ist tot … sie liegt unter einem Hügel verwelkter Kränze … verbrannt, zusammengeschrumpft zu der Größe eines Kindes, unkenntlich geworden … aber bevor sie verbrannte und für immer aus meiner Welt ging, hatte sie ein Geheimnis vor mir. Ein junger Mann, dem sie 72.000 Mark gab. Ein Mann südländischen Typs …
Donani zuckte hoch. Seine Fäuste fielen schlaff gegen den Körper. Das kann nicht sein, dachte er, und es durchrann ihn eiskalt. Um Himmels willen, das kann nicht sein. Ein Bild war plötzlich vor ihm aufgestanden … ein junger Mann mit schwarzen Locken, die Geige unter das Kinn geklemmt, mit fanatischen Augen, zitternd vor Nervosität. Er spielte vor, was, das war aus der Erinnerung gelöscht … aber er spielte vor, um Solist zu werden, und Carola hatte ihn empfohlen, hatte ihn gelobt, hatte ihn, Donani, dazu überredet, den jungen Geiger anzuhören. So hatte der junge Mann erreicht, was nie jemandem gelungen war: Er hatte Donani vorgespielt, und Donani hatte ihn sogar auf dem Flügel begleitet.
Ein Mann, ein Jüngling von südländischem Typ. Schwarze Locken, schwarze Haare, ein sinnlicher, weicher Mund.
Donani schloß die Augen. Er sah die Szene vor sich. Er hörte sich sagen: Sie haben dreimal daneben gegriffen. Er sah, wie der junge Geiger innerlich zusammenbrach. Wie hieß er denn noch? Himmel, hilf – wie hieß er denn? Jean, jawohl, Jean hieß er. Aber weiter … weiter … Leclef? Nein. Das heißt ›Der Schlüssel‹. Aber so ähnlich, so ganz ähnlich.
Fast lautgleich. Jean Leclerc … Leclerc … Das war es! Das mußte es sein!
Donani wirbelte herum und rannte zum Hause zurück. Er ergriff Bombalo an der Hand und riß den Verblüfften mit in das Arbeitszimmer. Er schloß die Tür, zog die Vorhänge vor die Fenster und warf sich in den Sessel. Bombalo starrte ihn an. Er sieht wirklich wahnsinnig aus, dachte er entsetzt. Madonna mia, das darf nicht wahr sein.
»Ruf in Paris bei der Personalabteilung an!« rief Donani. Seine Stimme hatte jeden Klang verloren, sie war wie ein Bellen. »Frag nach, ob unser Orchester einen Geiger Leclerc hat!«
»Jetzt gleich?« stotterte Bombalo.
»Sofort! Blitzgespräch! Los, ruf schon an!«
Mit einem Achselzucken hob Bombalo den Hörer ab. Nach drei Minuten wußten sie es. Jean Leclerc hatte es gegeben. Bei den ersten Geigen. Er hatte vor Monaten gekündigt … genau einen Tag nach Carolas Tod. Wo er jetzt war, wußte man nicht. Er hatte sich nie wieder gemeldet.
»Sie werden unheimlich, Maestro«, sagte Bombalo und setzte sich hinter den Schreibtisch. Kalter Schweiß trat ihm auf die Stirn. »Was wollen Sie mit diesem Geiger?«
Das Gesicht Donanis war hart, wie aus Stein gemeißelt.
»Habt Ihr Manager so eine Art Internationale, Pietro?« fragte er. »So eine Art Ring? Ihr kennt euch doch alle untereinander.«
»Nur die wirklich Großen, Maestro«, antwortete Bombalo stolz.
»Ruf sie alle an! Alle! Frage sie, ob sie einen Jean Leclerc kennen! Ob er sich bei ihnen gemeldet hat –«
»Aber das ist doch Unsinn, Maestro. Das kostet doch Tausende.«
»Und wenn es mein Vermögen kostet: Ich will wissen, wo dieser Jean Leclerc jetzt ist«, schrie Donani und sprang auf. »Du läßt nicht locker, du rufst die ganze Welt ab! Irgendwo werden wir ihn finden!«
Bombalo stützte den Kopf in beide Hände, als Donani aus dem Zimmer gestürmt war. »Er ist doch verrückt«, jammerte er. »Madonna! Womit habe ich das verdient? Er hat total den Verstand verloren –«
Aber er rief doch seine Managerfreunde an. Er fing in Frankreich an und setzte die Suche in Italien fort … und bei jeder Nummer, die er drehte, tat ihm das Geld leid, das er nach seiner Ansicht aus dem Fenster warf.
Zwei Tage lief Bernd Donani wie ein gefangenes Raubtier im Hause herum. Erna Graudenz und die Kinder wagten nicht, ihn anzureden. Bombalo pendelte zwischen Essen und Telefon hin und her. Am Nachmittag des zweiten Tages schrie er auf und brüllte: »Maestro! Maestro!«
Donani stürzte in das Arbeitszimmer. Bombalo saß
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